Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
Buchhaltung und noch einen Haufen andere, von denen mir ganz schwindelig wird. Offensichtlich kann ich nicht alles lernen, deshalb will ich dahinterkommen, wen ich am meisten um seinen Job beneide. Das Schlimme ist, Mum hat Recht. Sie haben alle tolle Jobs, aber bis jetzt möchte ich mit keinem von ihnen tauschen. Es ist frustrierend: Ich will Teil dieser Welt sein, aber ich kann meine Nische nicht finden. Irgendwo muss sie doch sein! Ich habe wohl noch nicht gründlich genug hingesehen.
Eines Tages spricht mich Andy Elat auf dem Flur an.
»Du machst dir einen Namen, Kleine«, sagt er.
»Einen guten?«, frage ich nervös.
»Einen hartnäckigen. Wozu die ganzen Fragen?«
Ich erkläre ihm, dass ich auf der Suche nach dem richtigen Job für mich bin. Er nickt weise.
»Ich habe noch nie einen Teenager gesehen, der sich so mit dieser Welt identifiziert wie du, Nonie. Nicht nur, was du alles tust, sondern auch, was du alles weißt . Und wie du dich kleidest.« An dieser Stelle lacht er. Nicht sehr höflich. Aber wenigstens schickt er mich nicht nach Hause und verlangt, dass ich mich umziehe.
»Und?«, frage ich.
»Du findest deinen Job, oder er findet dich.«
Ha! Ich wünschte, Mum wäre hier und hätte das gehört.
»Kann ich ein Label leiten?«, frage ich.
Er kneift die Augen zusammen. »Ich versuche es mir vorzustellen. Du im Hosenanzug? Na schön, vielleicht, aber … Bist du gut in Tabellenkalkulation?«
Ich nicke. Ich hasse Tabellenkalkulation. Funktioniert bei mir nie. Tabellen kommen mir vor wie Fallen, die nur darauf lauern, dass ich reintrete, und am Schluss kommen lauter falsche Zahlen raus. Aber wenn es sein muss, damit ich einen Job in der Modebranche finde … Okay.
Andy runzelt die Stirn. Er sieht nicht überzeugt aus.
Ich merke, dass ich ebenfalls die Stirn runzele. War Vivienne Westwood gut in Tabellenkalkulation? Und Sarah Burton? Ich wette, nicht. Aber dafür waren sie gut darin, Kleider zu entwerfen und Stoff in Kunst zu verwandeln. Ich kann keins von beiden. Irgendwas muss es doch für mich geben. Ich wünschte, Andy hätte gesagt: »Hast du nicht neulich eine Modenschau organisiert? Mit deiner Chuzpe – das wird schon.« Hat er aber nicht. Und ich bin keinen Schritt vorangekommen.
Neulich in der Tate Modern habe ich mir eingebildet, dass meine Zukunft unter Dach und Fach ist. Offensichtlich habe ich mich getäuscht. Was nicht weiter schlimm wäre – ich bin ja erst siebzehn und muss mich jetzt noch nicht entscheiden –, nur dass ich schon immer in die Modebranche wollte, und daran hat sich nichts geändert. Im Gegenteil. Seit ich Krähe kenne, will ich es noch mehr. Ich will, aber ich kann nichts. Keine gute Kombination.
Andy geht weiter und wünscht mir über die Schulter viel Glück. Ich glaube nicht, dass Glück bei mir reicht. Ich glaube, ich brauche ein anderes Leben, ein anderes Gehirn, eine ganz neue Persönlichkeit. Das Brechstangen-Projekt hat seinen Namen verdient. Vielleicht sollte ich mir einen Job als Projekt-Benennerin suchen. Dafür bin ich superqualifiziert.
Als ich nach Hause komme, habe ich zu meiner großen Verwunderung eine E-Mail von Krähe auf meinem Computer.
Hi Nonie!
Ist das nicht toll? Ich weiß! Ich kann e-mailen! Hier giebt es einen super Computerkurs, den wir alle am Wochenende besuchen. Der Lerer ist Joseph, er ist cool. Wie get’s in London? Victoria hat angefangen Schultaschen zu verkaufen Und ich helfe den Mädchen beim Nähen. Sie ist echt gut. Ich schenk dir eine wenn ich heimkome. Oder du kaufst eine.
Tschüs! Krähe xxx
Was? Victoria? Victoria! Die ungefähr sieben ist, allerhöchstens acht. VICTORIA ist jetzt schon Unternehmerin und verkauft Schultaschen, während ich nicht mal einen ganz normalen Job bei Miss Teen finden kann. Das tröstet mich überhaupt nicht. Auch wenn ich mich natürlich für sie freue. Aber ich frage mich, warum Krähe mir sagt, ich soll mir eine Tasche kaufen . Normalerweise schenkt sie mir immer alles. Sind wir, seit sie wieder zu Hause bei ihrer Familie ist, etwa nicht mehr so eng befreundet? Hat sie neue Freundinnen gefunden?
Ich will nicht darüber nachdenken. Ich will ihr auch nicht erzählen, was Andy Elat gesagt hat. Stattdessen schreibe ich ihr ein paar Geschichten über Jennys Kätzchen. Und darüber, dass der Junge aus Französisch im Starbucks arbeitet, und ob das kein komischer Zufall ist.
Dann werde ich unterbrochen, weil jemand an die Tür klopft. Ein sehr großer Mann mit einem Notizblock streckt
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