Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
rein und trinkt eine Tasse Tee.«
Geschlossen marschieren wir in die Küche, wo Edies Mum sich um den Tee kümmert. Eigentlich glaube ich nicht, dass ich noch eine Tasse Tee vertrage, bis sie vor mir steht, mit einem großen Löffel Zucker. Ich trinke meinen Tee nie mit Zucker, aber es stellt sich raus, dass ich genau das gebraucht habe. Und Edies Mutter hat Recht. Plötzlich bin ich total erschöpft. Obwohl wir die letzten Stunden im Krankenhaus nur mit Rumsitzen und Warten verbracht haben, war es anstrengender, als mir bewusst war.
»Was ist passiert?«, fragt Edies Bruder Jake mit großen Augen. »Ist sie gestorben, die Dame?«
Harry lächelt gutmütig. »Nein, sie ist nicht gestorben. Bald geht es ihr wieder gut. Deine Schwester ist eine echte Heldin.«
Ich muss Edie nicht mal ansehen. Ich weiß, dass sie rot wird. Sie hat den Kopf gesenkt und versteckt das Gesicht unter ihrem Pony, während sie nachsieht, welche Anrufe und Nachrichten sie verpasst hat, als wir im Krankenhaus waren.
»Tut mir leid wegen den Pfadfindern«, sage ich zu Jake. »Hast du viel verpasst?«
»Das meiste.« Er zuckt die Schultern. »Aber Edie ist wichtiger. Mum hat gesagt, dass Edie auf dem Anrufbeantworter so traurig war. Und dann musste Mum weinen. Und Dad hat sich auch erschrocken. Und dann hatte ich auch keine Lust mehr auf die Pfadfinder.«
»Oh, Jake«, sagt seine Mutter beschämt.
Harry und ich sehen uns an. Er muss lächeln, doch er versucht es zu verstecken. Wir sind beide gerührt von der Art, wie Edies Familie in der Krise zusammenhält. Wie lieb sie alle sind. Wie leicht ihre Mutter verlegen wird. Sie sind ganz anders als unsere Familie, aber sie sind toll.
»Also, ich geh dann mal«, sagt Harry irgendwann. »Ich habe noch einen Termin …«
Edie späht durch den Pony und legt das Telefon weg.
»Danke«, sagt sie. »Für alles, Harry. Vielen Dank.«
Sie steht auf. Harry geht zu ihr, um sich zu verabschieden. Sie streckt ihm die Hand hin, doch er hat sich vorgebeugt, um sie zu umarmen, und sie sticht ihn mit ihren spitzen Fingern in den Bauch. Harry lacht, dann schüttelt er ihr förmlich die Hand und machte eine Verbeugung. Er sieht genauso verlegen aus wie ihre Mutter vorher.
Später, als ich mit Edie und Jake auf dem Sofa sitze und eine Folge von Glee sehe, denke ich über unsere Familien nach. Ich kann mir im Traum nicht vorstellen, dass Mum alles stehen und liegen lassen würde, um mich aus irgendeinem Notfall zu retten. Andererseits umarmen wir uns die ganze Zeit.
Und der Gedanke ans Umarmen erinnert mich ans Küssen. Was mich automatisch an Liam erinnert. Ich hole mein Telefon raus und starre es an. Traue ich mich ihm eine SMS zu schreiben? In letzter Zeit haben wir uns nur wegen praktischer Dinge wie Verabredungen gesimst. Ist es aufdringlich, wenn ein Mädchen einem Jungen eine SMS schickt, weil sie über etwas reden will, das passiert ist? Denkt er dann, ich will mehr von ihm als er von mir?
Ich beschließe, ich muss das Risiko eingehen, doch ich halte den Text so vage und leicht wie möglich. Eine ganze Glee -Folge denke ich darüber nach und gehe verschiedene Formulierungen durch, bis ich schließlich schreibe: »Bist du da?«
Ich warte. Und warte. Und keine Nachricht kommt zurück. Na toll.
Dann, als ich gerade bei Edie aufbrechen will, um nach Hause zu gehen, kommt etwas an.
»Tut mir leid, Babe. Hab heute für meinen Dad gearbeitet. Hoffe, dir geht’s gut. Vermiss dich, x.«
Ich starre das Telefon an. Es ist vielleicht kein Shakespeare. Aber es kommen die Wörter »Babe« und »Vermiss dich« und »x« darin vor. Was mich angeht, ist es ein Jane-Austen-Roman – mit Happy End. Trotz der Ereignisse des Tages und der Erinnerung an Glorias graues Gesicht auf der Trage erfüllt mich ein warmes Leuchten, das in meinem Bauch anfängt und sich in die Ohrläppchen ausbreitet.
»Bist du dir sicher, dass du gut nach Hause kommst?«, fragt Edies Mum und sucht nach Anzeichen der Strapazen in meinem Gesicht. Doch auf einmal sind alle Strapazen von mir abgefallen.
»Mir geht’s gut«, versichere ich ihr wahrheitsgemäß. »Alles bestens.«
Sie behalten Gloria eine Woche im Krankenhaus, um ihre Medikamente neu einzustellen und ein Auge auf sie zu haben. Edie besucht sie jeden Tag, und Harry geht auch einmal vorbei. Ich schaffe es ein paarmal, aber den Rest der Zeit bin ich mit Lernen beschäftigt und damit, an Liam zu denken, ihm SMS zu schreiben, SMS von ihm zu bekommen, ihn in Französisch zu sehen
Weitere Kostenlose Bücher