Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
weiß ich, was ich sagen soll.
»Natürlich brauchen sie dich hier«, sage ich. »Und natürlich bleibst du in New York. Du kannst nicht nicht … das da machen, was du eben gemacht hast. Du besitzt die Gabe. Ich freue mich riesig für dich. Und deine Mutter wird so stolz auf dich sein.«
Jenny beißt sich auf die Lippe. Plötzlich sieht sie viel älter als achtzehn aus. Eher wie die fünfundzwanzigjährige Königin mit vielen Sorgen. Aber sie bringt ein halbes Lächeln zustande.
»Danke, Nonie.« Sie schüttelt den Kopf und holt tief Luft. Dann sieht sie sich um und will das Thema wechseln. »Hey, die ist aber schön.«
»Was?«, frage ich.
»Deine Tasche«, sagt sie. »Cooles Muster. Ist mir gestern schon aufgefallen. Echt süß.«
Die Luft im Raum wird ein bisschen klarer, als wir über Taschen reden statt über das Singen.
»Krähe hat sie gemacht«, erkläre ich, und dann erzähle ich ihr von Victorias Unternehmen. »Es ist wirklich sinnvoll.«
»Vielleicht könnte sie mir eine schicken«, sagt Jenny.
Ich verspreche, dass ich ihr einen ganzen Packen schicke. Vielleicht gibt es noch mehr Leute in New York, denen sie gefallen. Man kann nie wissen.
Es ist höchste Zeit, zurück in die Wohnung zu gehen.
Jetzt könnte ich Edie gebrauchen, die tausend Mal besser Karten lesen kann als ich. Aber ich tue mein Bestes. Ich gehe den Broadway hinunter, zumindest glaube ich, dass es der Broadway ist. Die Straße scheint in die richtige Richtung zu führen.
Dann fällt mir plötzlich auf, dass ich auf Ralph Lauren stehe. Also, nicht auf dem echten, sondern auf einer runden Plakette im Straßenpflaster mit seinem Namen und einer seiner Skizzen. Gleich daneben ist Halston, dann Diane von Furstenberg. Ich bin auf dem Fashion Walk of Fame gelandet. Verwirrt sehe ich mich um. Ich kann wohl doch nicht auf dem Broadway sein – sonst wäre hier der Theater Walk of Fame, oder nicht?
Auf dem nächsten Straßenschild steht Seventh Avenue – nicht Broadway, aber nahe dran. Mir wird klar, dass ich mitten im Garment District gelandet bin, dem traditionellen Viertel der Bekleidungsindustrie. Das erklärt auch die Tonne, an der ich gerade vorbeigekommen bin, mit den Schaufensterpuppenarmen und -beinen, die jemand für fünf Dollar das Stück verkaufen will. Und den Laden mit den Borten und Spitzen, und die ganzen Lieferwagen, die Kleiderstangen voll mit plastikverhüllten Klamotten ausladen. Ich habe nur nicht eins und eins zusammengezählt.
Dann kommt mir ein Gedanke. Irgendwo hier müssen die Kamelhaarmänner ihre Zentrale haben, auf der 37. Straße West. Fünf Minuten später stehe ich vor einem roten Backsteingebäude mit blinkenden, frisch geputzten Fenstern. Modeleute eilen geschäftig ein und aus, die meisten davon mit riesigen Kaffeebechern bewaffnet. Ich frage mich, ob ich eines Tages hier ein Praktikum machen könnte. Schließlich bin ich inzwischen Expertin im Kaffeeholen. Dann könnte ich in Krähes Nähe sein.
Doch wie Mum so freundlich erklärt hat, sie würden mich nicht nehmen. Nicht mal als Praktikantin. Die haben ganze Abteilungen voller hochqualifizierter Mitarbeiter, die alle können, was ich kann. Und die Leute, die ich sehe, wirken, als könnten sie Tabellenkalkulation im Schlaf. Wenn ich ehrlich bin, ist es ganz schön beängstigend. Und all die Leute sind darauf angewiesen, dass die Designer ihre Sache gut machen, weil davon ihre Existenz abhängt. Wenn ich eine Sechzehnjährige aus Uganda wäre, wäre es mir ein bisschen zu überwältigend, glaube ich. Nicht zum ersten Mal frage ich mich, was ich Krähe da einbrocke. Aber wenn die Kamelhaartypen sagen, sie wollen Krähe haben, müssen sie doch wissen, was sie tun, oder?
Als ich wieder bei Isabelle bin, ist Edie bereits da. Sie sieht genauso müde und deprimiert aus wie ich.
»Unser letzter Abend«, erklärt sie. »Hast du Lust, was zu unternehmen?«
Draußen ist es kalt und windig. Manhattan liegt uns zu Füßen, und wir haben noch ein paar Stunden rumzubringen.
»Nein«, sage ich. »Eigentlich nicht. Und du?«
Sie schüttelt den Kopf.
Wahrscheinlich sind wir die einzigen achtzehnjährigen Mädchen ohne Aufsicht in New York, die lieber zu Hause bleiben und Filme sehen.
Wir studieren Isabelles DVD-Sammlung. Vieles sind europäische Filme mit Untertiteln. Außerdem hat sie überraschenderweise ein Faible für Actionfilme, vor allem für solche, in denen Matt Damon vorkommt. Edie will natürlich einen französischen Film aus den sechziger
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