Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
Jahren sehen, und ich will Die Bourne-Identität sehen. Wir einigen uns auf Green Card . Wie sich rausstellt, geht es um einen Typ (Gérard Depardieu – Franzose, Edie zuliebe), der in New York arbeiten will, aber nicht darf.
Ich kenne das Gefühl. Als Eisbär wäre er besser dran gewesen.
Am nächsten Morgen ist Edie sehr still. Sie ist still, als wir packen – trotz der kaum zu bewältigenden Aufgabe, unser ganzes Zeug in zwei winzige Rollköfferchen zu zwängen. Sie ist still auf dem Weg zum Flughafen, und als wir uns von der wunderschönen Skyline von New York verabschieden. Sie ist still am Terminal, während ich die Dame am Check-in überrede, wenigstens einer von uns einen Fensterplatz zu geben, und während ich eine Stunde damit verbringe, mir aus allen wichtigen Modezeitschriften der Welt zwei auszusuchen, die ich mir leisten kann.
Irgendwas braut sich zusammen. Edie spielt auf Zeit, und ich weiß genau, sobald wir zehntausend Meter über dem Atlantik sind und ich nicht weglaufen kann, packt sie aus. Doch nach zwei Stunden, zwei Vogues (der amerikanischen und der französischen) und einer Folge Simpsons hat sie immer noch nichts gesagt, und langsam halte ich die Spannung nicht mehr aus.
»Äh, Edie, hast du irgendwas auf dem Herzen?«
Sie wendet sich vom Fenster ab und sieht mich an. Sie hat immer noch Wolken in den Augen. Langsam konzentriert sie sich auf mich.
»Nein. Ich glaube nicht«, sagt sie.
Zwei Stunden lang hat mir davor gegraut, aber jetzt würde ich es gern hinter mich bringen.
»Wegen Jenny …?«
Sie seufzt. »Ach so. Wegen Jenny.«
Na also. Ich bin zwar noch nicht direkt in Crash-Position, aber ich stelle mich darauf ein. Edie zum Thema gefährdete Nashornarten oder afrikanische Dörfer ohne Wasseranschluss oder Ähnliches ist schon eine furchterregende Erfahrung. Edie zum Thema Freundin, die beschließt, einem Song den Vorrang vor der eigenen Mutter zu geben – ich gebe zu, dass ich mich vorsorglich wegducke.
»Ich habe nachgedacht«, sagt sie langsam.
»Ach ja?«
»Ich habe mich geirrt.«
»Wie bitte?« Ich bin geschockt. Diese Worte habe ich noch nie aus Edies Mund gehört. Und ich kenne sie seit der Mittelstufe.
»Als ich aus dem Theater marschiert war, bin ich zurückgekommen, aber du warst nicht mehr da«, fährt sie fort. »Jemand sagte, du wärst bei Jenny in der Garderobe. Ich wette, du hast ihr gut zugeredet. Warst für sie da. Genau das, was sie gebraucht hat. Ich war nicht für sie da. Ehrlich gesagt, ich schäme mich.«
»Wirklich?«
Edie nickt und sieht mich traurig an.
»Ich denke ständig nur daran, was die Leute eigentlich tun sollten. Aber ich kann sie nicht ändern. Die Leute sind, wie sie sind. Ich habe Jenny lieb. Und sie tut, was richtig für sie ist. Ich sollte sie einfach ihren Weg gehen lassen. Meinst du nicht? Nonie?«
Ich starre sie ungläubig an. Bringe kein Wort heraus. Ich meine, Edie schafft es immer, mich zu überraschen, aber das hier ist völlig surreal. Es klingt so gar nicht nach Edie.
»Ich verstehe das nicht«, seufze ich.
Jetzt sieht Edie noch trauriger aus. »Wirklich? O Gott, bin ich so verbohrt, dass du dir nicht mal vorstellen kannst, dass ich Jennys Freundin bleiben will?«
Ja. Sie hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Aber das kann ich natürlich nicht sagen.
»Gar nicht!«, sage ich. »Natürlich nicht. Du bist eine tolle Freundin.«
Sie lächelt mich an.
»Und jetzt lügst du. Um lieb zu sein. Wie du es immer tust, Nonie. Nicht, dass du immer lügst, meine ich – auch wenn du es ziemlich häufig tust. Ich meine, du bist immer lieb. Für dich steht Freundschaft an oberster Stelle. Ich sollte dich zum Vorbild nehmen.«
Hallo? Das Genie unserer Schule, das Mädchen, das in jedem Club und jedem Orchester Mitglied ist (sofern sie darf), das in Eigeninitiative genug Geld gesammelt hat, um in Afrika EINE SCHULE ZU GRÜNDEN, will mich zum Vorbild nehmen? Was ist hier los?
»Jetzt schau nicht so schockiert«, sagt sie. »Ich meine es ernst. Und das, was ich über Jenny gesagt habe, auch. Sie hat unglaublich gesungen. Natürlich würde Gloria wollen, dass sie ihre Chance ergreift. Ich meine, vielleicht könnte ich meine Mutter nicht allein lassen, aber ich bin nicht Jenny. Vielleicht sollte ich sie einfach unterstützen.«
Bevor ich noch mehr in Schock und Fassungslosigkeit verfalle, hole ich tief Luft, um nicht unhöflich zu sein.
»Cool«, sage ich. »Fantastisch.«
»Ehrlich?«
Edies skeptischer Blick verwandelt
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