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Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft

Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft

Titel: Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Bennett
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vertieft in das, was Marty gesagt hat, dass sie uns wahrscheinlich vergessen hat.
    Wir setzen uns wieder ganz hinten ins Theater, und sie geht zur Bühne, wo sie gedankenverloren wartet, während die Fernsehleute ihr Equipment durchgehen. Diesmal setzt sich Jackson Ward ans Klavier. Langsam geht Jenny zu ihm. Sie bewegt sich, als würde sie durch Honig waten. Als sie am Flügel steht, lächelt Jackson ihr aufmunternd zu. Der Kameramann hält die Kamera genau auf ihr Gesicht. Dann fängt Jackson zu spielen an.
    Zweimal singt Jenny die ersten Zeilen des Songs, und Jackson unterbricht sie. Sie hätte sowieso noch mal neu anfangen müssen. Ihre Wangen glänzen nass, und ihre Stimme ist brüchig. Vielleicht ist es gut, dass sie bald wieder nach Hause kommt.
    Beim dritten Mal schafft sie es zur Hälfte, bevor Jackson sie unterbricht. Er redet leise auf sie ein und spielt ein paar Noten, als wollte er ihr etwas zeigen. Sie nickt.
    Beim vierten Mal singt sie den ganzen Song.
    Nur dass ich mir nicht sicher bin, ob es noch derselbe Song ist. Vorher war er traurig und eingängig. Jetzt ist er nicht mehr traurig – er ist viel mehr als das. Er ist tragisch. Als Jenny singt, spürt man ihren Schmerz in jedem herzzerreißenden Ton. Erst hat man das Gefühl, sie schafft es nicht, aber ihre Stimme wächst und wächst, bis sie am Ende das ganze Theater erfüllt und uns durchdringt und mit sich reißt, vor Entschlossenheit vibrierend.
    Ich spüre das Vibrieren in der Wirbelsäule und den Schmerz in der Brust. Plötzlich weiß ich, wie es sich anfühlen würde, wenn Liam in diesem Moment mit mir Schluss machen würde. Der letzte Ton verklingt, und im Theater herrscht Stille. Jackson Ward macht ein verblüfftes Gesicht. Er wirft Marty einen Blick zu, der kaum merklich nickt. Dann sieht Jackson Jenny an und sagt: »Noch mal.«
    Und sie singt noch mal von vorne. Dieselbe Stimme. Derselbe Schmerz. Derselbe triumphierende, mitreißende Schlusston und zarte Seufzer.
    Mehrere lange Sekunden rührt sich keiner. Dann lächelt Jackson Jenny an. Sie sieht erschöpft und erschrocken aus, aber sein Lächeln scheint sie aufzuheitern.
    Plötzlich wird es laut. Ein paar Leute, die in den Rängen stehen, kommen klatschend und jubelnd nach vorne. Marty läuft auf die Bühne, hebt Jenny hoch, küsst sie auf die Stirn und ruft: »Ja!«
    Ich schließe mich dem Beifall an, weil ich endlich verstehe, was er mit der Gabe gemeint hat – die Gabe der ganz Großen. Jenny hat tief gegraben und jede Menge davon gefunden. Irgendwie schwebt es immer noch im Raum, wie Glitter, der uns daran erinnert, was wir gerade mit ihr durchgemacht haben.
    Jackson steht von seinem Klavierhocker auf und führt sie behutsam von der Bühne. Als sie rausgehen, redet Marty mit dem Kameramann.
    »Hast du das?«, fragt er.
    »Darauf kannst du wetten«, sagt der Mann.
    Marty nickt zufrieden.
    Ich sehe Edie an, die wie in Trance neben mir steht.
    »Hast du das gesehen?«, fragt sie.
    »Darauf kannst du wetten!«, sage ich grinsend.
    »Ich meine, hast du ihr Gesicht gesehen? Hast du gemerkt, woran sie dachte?«
    »Äh, nein«, sage ich. »Hat sie nicht einfach ans Singen gedacht?«
    »Unglaublich«, fährt Edie fort. »Das ist einfach unglaublich. Es war genau derselbe Ausdruck wie gestern Abend, als ich mit ihr über Gloria geredet habe. Es war genau derselbe Schmerz. Sie hat ihn einfach genommen und benutzt. Für einen Song .«
    Edie dreht sich auf dem Absatz um und geht. Ich bin mal wieder in der alten Situation – ich weiß nicht, wen ich eher hängen lassen kann, Edie oder Jenny. Doch diesmal beschließe ich, dass Jenny mich mehr braucht. Ich lasse Edie gehen.
    Als ich Jenny endlich finde, ist sie allein. Sie trinkt eine Tasse grünen Tee in einer der Theatergarderoben und sieht etwas weniger weggetreten aus als direkt nach dem Ende des Songs.
    »Wie geht es dir?«, frage ich. »Ich meine, das war der absolute Hammer, aber geht es dir gut?«
    Sie sieht auf und nickt. Einen Augenblick wirkt sie verlegen. Vielleicht denkt sie an Gloria. Aber dann holt sie tief Luft und lächelt.
    »Mir geht’s gut«, sagt sie. »Ich glaube, den Song habe ich raus. Jedenfalls ist Jackson der Meinung. Er sagt, wir haben die Zehn-Uhr-Nummer im Kasten. Und Marty ist endlich auch zufrieden. Also, ja, mir geht’s gut.« Ihr Lächeln verblasst ein wenig. »Du weißt doch, dass ich heimkommen wollte, aber ich schätze, ich werde auch hier gebraucht.«
    Sie sieht aus, als täte es ihr leid. Ausnahmsweise

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