Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
ich mir schon.
Ich nicke. »Sie hat gesagt, du hattest Recht«, erzähle ich ihr. »Ihr ist klar, wie es um Gloria steht. Wirklich! Klarer, als du glaubst. Ich weiß nicht, ob sie noch lange hier mitmacht.«
Edie seufzt erleichtert und lächelt in Jennys Richtung.
»Gott sei Dank. Ich hätte nicht gedacht, dass sie auf mich hört.« Ihr Lächeln wird breiter und die Spannung fällt von ihr ab. Im nächsten Moment verfolgt sie, was die Fernsehleute tun, und ich weiß, dass ihr Edie-Superhirn bereits verarbeitet, wie eine Fernsehsendung gemacht wird. Nur für den Fall, dass sie dieses Wissen irgendwann mal braucht.
Nach zwei Stunden Hin und Her mit der Technik singt Jenny zum ersten Mal ein Lied ohne Unterbrechung von Anfang bis Ende durch. Der Song heißt »Mein anderes Leben« und hat eine traurige, eingängige Melodie. Jenny macht es gut, soweit ich es beurteilen kann. Ihre Wangen glänzen, also hat sie das mit den Tränen anscheinend auch hingekriegt.
»Okay fürs Erste«, ruft der Boss von den Fernsehleuten. »Fünfzehn Minuten Pause.«
Alle wirken erleichtert. Verschiedene Leute gehen auf die Ausgänge zu. Jenny kommt direkt zu uns.
»Du warst toll!«, sage ich. »Das Lied ist super.«
Jenny lächelt dankbar.
»War es das?«, fragt Edie. »Wo ist Mr Ward?«
»Ach, der ist noch gar nicht da«, sagt Jenny. »Das war erst zum Aufwärmen. Schau mal, da kommt er. Sie wollen ihn dabei filmen, wie er über den Song redet. Deshalb muss ich gleich noch mal vor ihm singen. Lasst uns rausgehen, solange wir warten müssen. Ich brauche ein bisschen frische Luft.«
Wir schlendern zur Straßenecke. Vor uns liegt ein Platz mit hohen, eleganten Bäumen. Er ist voller Zelte, Bauarbeiter und Gewimmel.
»Seht mal!«, sagt Jenny. »Das ist Bryant Park. Sie bauen gerade die Fashion Week ab.«
Plötzlich jubelt Edie. Hinter den Zelten und Bäumen hat sie noch etwas entdeckt. Die Spitze des Empire State Building. Das ist so was von cool. Ich drücke Jennys Arm.
»Entschuldigt, Ladys«, meldet sich eine Stimme hinter uns. »Kann ich mal mit dir sprechen, Jenny?«
»Natürlich«, sagt Jenny.
Es ist der Mann, der bei der Probe Klavier spielt: Marty, der musikalische Leiter. Er ist klein, intensiv und ziemlich furchteinflößend. Den ganzen Morgen hat er kaum etwas gesagt, aber er hat Jenny genau beobachtet, und mir ist aufgefallen, dass er kein Mal gelächelt hat. Er nimmt Jenny beiseite. Edie und ich bleiben in der Nähe und tun so, als würden wir nicht jedes Wort mitkriegen wollen.
»Ich habe gerade mit Jackson gesprochen. Wir haben den Dreh immer noch nicht raus«, sagt Marty, der sich bei Jenny eingehakt hat und sie eindringlich ansieht.
»Ich tue mein Bestes«, sagt Jenny, doch sie sieht besorgt aus.
»Genau das ist der Punkt«, entgegnet Marty. »Ich will nicht dein Bestes. Ich will was anderes, von dem du nicht mal ahnst, dass es in dir steckt. Etwas, das nicht auf dem Notenblatt steht. Das nichts mit der Tonlage oder Modulation zu tun hat. Das alles machst du gut, aber darum geht’s nicht. Es geht darum, was in dir steckt.«
Jenny sieht verunsichert und verwirrt aus.
»Hör zu, ich sag das nur zu dir, weil ich glaube, dass du wirklich was Besonderes bist, Schätzchen. Du hast das gewisse Etwas. Die Gabe. Wie Liza. Und Barbra. Die ganz Großen eben. Aber du musst danach graben. Du musst es tief in deinem Innern finden. Es ist was Rohes, Ungeschliffenes, und das musst du rausholen und mit den Leuten teilen. Das kann nicht jeder. Die meisten Leute wollen’s nicht mal. Bei dir hab ich es oft fast gesehen, aber dann machst du immer wieder dicht. Heute will ich, dass du’s rauslässt, okay? Und Jackson auch. Zeig uns, dass du’s kannst. Sonst haben wir hier nur einen gewöhnlichen Song, und das wäre Verschwendung. Weil es wirklich was Besonderes sein könnte, und ich für meinen Teil finde, Jackson hat das Beste verdient.«
Er tätschelt ihr die Schulter, und dann geht er ins Theater zurück. Jenny bleibt wie angewurzelt stehen und sieht ihm hinterher. Edie und ich stellen uns neben sie.
»Ich bin mir sicher, dass Jackson dich gut findet, so wie du bist«, sage ich. Hoppla. Jetzt habe ich verraten, dass wir alles mitgekriegt haben. Aber es macht nichts. Jenny scheint es gar nicht zu bemerken.
»Wer ist eigentlich Liza?«, frage ich.
»Minnelli«, antwortet sie mechanisch.
»Und Barbra?«, fragt Edie.
»Streisand«, sagt Jenny und geht los. Edie und ich müssen uns beeilen, um hinterherzukommen. Sie ist so
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