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Moderne Piraten

Titel: Moderne Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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heraus und blätterte sie mit berufsmäßiger Geschwindigkeit durch. »Hier, Fräuleinchen, da haben wir’s ja, ein Brief für ›Röschen‹. Die Post sorgt für alle ihre Kunden.«
    Das Mädchen nahm den Brief in Empfang und zog vergnügt ab.
    Gransfeld trat an den Schalter. »Ich erwarte postlagernde Briefe unter Chiffre X. C. 17.«
    Gewohnheitsmäßig begann der Beamte den Stapel zu durchblättern.
    »X. C. 17.« Während er die Chiffre halblaut wiederholte, hielt er plötzlich mit dem Blättern inne. Irgendein Bedenken schien ihm zu kommen. Prüfend musterte er Gransfeld und fragte dann: »Ich habe doch recht verstanden? X. C. 17 sagten Sie?«
    Gransfeld hatte das Zögern bemerkt. Blitzschnell arbeitete sein Gehirn. Nur eine Erklärung gab es für das merkwürdige Verhalten des Beamten. Es mußten schon öfter Briefe unter dieser Chiffre hier gelagert haben, wahrscheinlich so oft, daß der Mann hinter dem Schalter auch die Person, die sie abzuholen pflegte, im Gedächtnis behalten hatte. Gransfeld fühlte, daß er etwas tun müsse, um den aufkommenden Argwohn zu zerstören. »Ganz recht, X. C. 17. Unter anderm erwarte ich einen Brief aus Genf«, sagte er mit erzwungener Ruhe.
    »Aus Genf? Einen Augenblick!« Der Beamte begann abermals in dem Stapel zu blättern und zog einen Brief heraus. Jetzt griff er zum zweiten Male einen Umschlag, nickte vor sich hin und ließ mechanisch noch den Rest des Stapels durch die Finger gleiten. »X. C. 17 aus Genf. Stimmt, mein Herr. Bitte, hier ist ein Brief – und hier noch ein zweiter.«
    »Ich danke.« Gransfeld nahm die Briefe an sich und verließ das Postamt.
    Kopfschüttelnd schob der Beamte den Pack postlagernder Briefe wieder in das Fach. Die alte bekannte Chiffre – der sie abholte, ein Unbekannter – er bedauerte, daß seine Dienstvorschrift ihm nicht gestattete, einen Ausweis von ihm so völlig fremden Menschen zu fordern. —
    Es herrschte bereits Dunkelheit, als zwei Wanderer von der Landstraße auf einen schmalen Feldweg abbogen.
    »Hier mußt du führen, Rudi. Den Weg bist du ja schon einmal gegangen«, sagte Doktor Gransfeld.
    »Jawohl, Herr Doktor. Ich kenne die Gegend wieder. Der Weg bringt uns unmittelbar an den Bahndamm, und dann geht’s links weiter, bis wir zum Nordtor kommen.«
    Schweigend verfolgten sie den schmalen Pfad durch die Wiesen und gingen am Bahndamm weiter.
    Eine Gestalt tauchte aus dem Dunkel vor ihnen auf.
    »Hallo, Gransfeld!«
    »Bist du’s, Rübesam?«
    »Hier Rübesam! Man kann in der Finsternis nicht die Hand vor den Augen sehen. Seid ihr endlich glücklich ran?« Er schüttelte Gransfeld die Hand.
    Unter der Führung Rübesams gingen sie weiter, bis, von einigen Laternen schwach beleuchtet, ein mächtiges eisernes Tor auftauchte. Der Chemiker ließ sie durch eine kleine Seitenpforte, die er sogleich wieder verschloß, in das Werk und führte sie zu seiner Wohnung.
    »So, da sind wir. Macht’s euch bequem! Und nun schieß los, Gransfeld! Am Telephon warst du fast noch wortkarger als in deinen Briefen. Ich bin gespannt wie – wie, na, sagen wir mal, wie ein Flitzbogen.«
    »Du wirst die Gründe verstehen, Rübesam. Ein Telephongespräch kann zufällig von einem Dritten gehört werden. Briefe können in Hände geraten, für die sie nicht bestimmt sind. Ich habe erst heute früh ein Beispiel davon erlebt.« Nun begann Gransfeld ausführlich sein Abenteuer zu berichten.
    In steigender Erregung folgte der Chemiker seiner Erzählung. »Und den Brief, Gransfeld, hast du ihn?«
    Gransfeld griff in die Tasche. »Einen Brief? Nein, gleich zwei. Doppelter Segen!« Er legte die Briefe vor sich hin. »Dies Schreiben unserer Freundin aus Rumänien hilft uns leider nicht weiter.« Er schob Rübesam den einen Brief hin.
    Dieser betrachtete ihn und schüttelte den Kopf. »Chiffriert! Da soll doch der Teufel draus klug werden! Die Bande benutzt bestimmt eine Geheimschrift, die kein Mensch ohne den Schlüssel entziffern kann.«
    Gransfeld nahm den Brief wieder an sich. »Schadet nichts, Rübesam. Eines Tages werden wir auch den Schlüssel haben und diese Hieroglyphen lesen. Der Dame Dimitriescu soll nichts geschenkt werden. Aber was sagst du dazu? Der zweite Brief ist unchiffriert. Offenbar hat der edle Megastopoulos den Inhalt nicht für wichtig genug gehalten, um sich die Mühe zu machen. Wenn er eine Ahnung gehabt hätte, daß gerade ich den Brief in die Finger bekommen sollte, dann wäre er vielleicht anderer Meinung gewesen.«
    Der Chemiker

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