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Moderne Piraten

Titel: Moderne Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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hatte nach dem zweiten Brief gegriffen. In dem äußeren Umschlag steckte noch ein kleinerer mit der Aufschrift: »An van Hülsten weiterzugeben.« In diesem Umschlag lag ein kurzes Schreiben, das Rübesam durchflog.
    »Für den Eingeweihten ist alles vollkommen klar, Gransfeld. In zwei Tagen treffen sie sich in Paris im Ritz-Carlton. Mynheer van Holsten – der Mensch muß also noch in Gorla stecken – soll einen amerikanischen Nabob, mit dem er irgendwie persönlich bekannt ist, wissen lassen, daß dein Freund Megastopoulos ihm ein seltenes und wertvolles Kunstwerk vorführen will. Er soll ihn ordentlich scharf auf die Sache machen. Gewinnbeteiligung: ein Viertel des erzielten Preises. Hm, eine gewisse Großzügigkeit kann man Herrn Megastopoulos bei seinen Geschäften nicht absprechen. Ja, mein lieber Freund, wenn du da rechtzeitig zur Stelle bist und richtig zufaßt, dann hast du einige Aussicht, deine Statuette wiederzubekommen.«
    »Die Statuette und den Mann, Rübesam.«
    Der Chemiker zuckte die Achseln. »Ob du den kriegen wirst, ist mir ziemlich zweifelhaft. Überlege doch, bitte, einmal! Der Diebstahl ist von einem Manne aus Kleinasien an einem Deutschen in Ägypten begangen worden, und in Frankreich soll der Dieb verhaftet werden. Wird schwer zu machen sein. Sei zufrieden, wenn du die Statuette zurückbekommst!«
    Gransfeld schlug auf den Tisch. »Das werden wir sehen! Jedenfalls will ich sofort nach Paris und den Burschen stellen. Ich muß heute noch mit dem Nachtzug abreisen. Und jetzt komme ich mit einer Bitte.«
    Rübesam nickte. »Ist im voraus gewährt, Gransfeld, wenn sich’s irgendwie machen läßt.«
    »Ja also, ich möchte Rudi für die Zeit meiner Abwesenheit deiner Obhut übergeben.«
    »Ach, Herr Doktor, ich soll immer hier bleiben, wenn Sie verreisen! Paris möchte ich auch gern kennenlernen.«
    »Still, Rudi, nicht aufgemuckt!« unterbrach Rübesam den Jungen. »Das ist übrigens ein guter Gedanke, Gransfeld. Hier im Werk, bei mir in meiner Wohnung, wird die Bande den Jungen zu allerletzt vermuten. Ich glaube, hier ist er so sicher wie in Abrahams Schoß. Hauptsache ist nur, daß er in der Wohnung bleibt und sich nirgends außerhalb des Hauses sehen läßt.«
    Rudi machte ein mißmutiges Gesicht. Die Aussicht, daß er hier sozusagen in Stubenarrest in der Bude hocken sollte, während Doktor Gransfeld nach Paris fuhr, gefiel ihm durchaus nicht.
    Halb ärgerlich, halb lachend suchte Rübesam ihm die Sache schmackhaft zu machen. »Sei zufrieden, Junge, daß du dich hier einmal ein paar Tage in Ruhe erholen kannst! Solltest doch von der Bande nachgerade genug haben. Sieh mal, hier«, er wies auf die Bücherregale an der Wand, »da ist genug Lesefutter, das deinem Schnabel munden dürfte. Das wird dir die Langeweile vertreiben.«
    Interessiert musterte Rudi die Bücherreihen. Seine Mienen hellten sich wieder einigermaßen auf, als er einige seiner Lieblingsschmöker entdeckte. »Aber Sie werden auch nicht zu lange fortbleiben, Herr Doktor?«
    »Höchstens eine Woche, Rudi. Versprich mir, solange vernünftig zu sein und Herrn Rübesam zu folgen! Die ganze Sache wird zwecklos, wenn dich irgendeiner von der Bande hier zu Gesicht bekommt.«
    Nach dem Abendessen brachte der Chemiker seinen Freund wieder durch das Nordtor des Werkes hinaus und geleitete ihn bis zum Bahnhof, während Rudi sich in die Abenteuer eines Indianerbuches vertiefte. —
    Am Nachmittag des gleichen Tages kam Henke auf das Postamt und ging an den Schalter für postlagernde Briefe. »Ist etwas unter X. C. 17 da?«
    Der Beamte sah ihn einen Augenblick an. »X. C. 17? Sie haben Ihre Briefe doch schon heute früh abgeholt – oder abholen lassen! Wird wohl kaum etwas Neues da sein.«
    Während der Postbeamte in dem Briefstapel blätterte, wandte Henke sich ab. Röte und Blässe wechselten in seinen Zügen. Er mußte erst Fassung gewinnen, bevor er dem Beamten sein Gesicht wieder zeigen konnte. Jemand anders war hier gewesen und hatte die unter X. C. 17 lagernden Briefe abgeholt? Wer zum Satan konnte das gewesen sein? Der Bengel? Er atmete kurz auf. Der war Gott sei Dank erledigt. Der verdammte Doktor? Ausgeschlossen. Der war nach Genf abgereist. Wer aber – wer konnte seine Briefe hier abgeholt haben?
    Er hörte die Stimme des Beamten und wandte sich wieder dem Schalter zu. »Es ist doch noch etwas gekommen. Hier ein Brief X. C. 17 aus London.«
    Henke griff nach dem Brief. Einen Augenblick zögerte er. Wenn er den Beamten nur

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