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Moderne Piraten

Titel: Moderne Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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kam ein Hotelpage die Treppe herauf und verschwand in dem Zimmer der Dimitriescu. Kurz darauf kam er wieder heraus, ein Brett mit benutztem Geschirr in den Händen. Rudi zuckte die Achseln. Die Entdeckung, daß die Rumänin den Tee auf ihrem Zimmer genommen hatte, war die aufgewandte Mühe nicht wert. Die Hände in die Hosentaschen versenkt, schlenderte er mißmutig hinter dem Pagen her. Da öffnete sich eine andere Tür, ein Gast kam heraus und sprach mit dem Boy. Dieser zauderte und sah sich wie hilfesuchend um.
    Inzwischen war Rudi hinzugekommen. Jetzt, in nächster Nähe, sah er, daß auch einige Briefe auf dem Tablett lagen, und hörte gleichzeitig, wie der Hotelgast englisch auf den Boy einredete. Offensichtlich war dieser des Englischen nicht mächtig.
    »Gestatten Sie, mein Herr, daß ich dem Boy Ihren Wunsch verständlich mache!« wandte Rudi sich auf englisch an den Gast und sprach dann französisch zu dem Pagen weiter: »Der Herr wünscht etwas heißes Wasser zum Rasieren.«
    Unschlüssig blickte der Boy bald auf das Brett in seinen Händen, bald auf Rudi. »Ich soll diese Briefe gleich zur Post bringen. Was soll ich da machen?«
    Rudi griff nach dem Brett. »Sie dürfen den Herrn nicht warten lassen. Ich werde das Brett so lange halten. Holen Sie schnell das Wasser! Danach können Sie die Briefe zur Post bringen.«
    Der Boy sprang davon, um das Gewünschte zu besorgen. Rudi blieb zurück. Starr blickte er auf die Adressen der fünf Briefe. Gleichmäßig bewegten sich seine Lippen, als ob er eine Schulaufgabe auswendig zu lernen hätte. —
    Tief in Gedanken versunken, saß Gransfeld in seinem Zimmer. Dieser zweite Besuch! Ohne Anmeldung war Monsieur Bouton zu ihm ins Zimmer gestürmt, verstört, wie außer sich. Er hatte in höchster Erregung Dinge herausgesprudelt. Gransfeld griff sich zweifelnd an den Kopf, wenn er daran dachte. War auch nur die Hälfte davon wahr, dann war die Bande viel, viel gefährlicher, als er jemals gedacht und geahnt hatte.
    Die Tür wurde aufgerissen. Rudi kam herein, lief, ohne von der Anwesenheit des Doktors Notiz zu nehmen, zum Schreibtisch und griff nach Bleistift und Papier.
    Gransfeld wollte auffahren. Was sollte dieses formlose Benehmen? Etwas Derartiges war er von Rudi bisher nicht gewohnt. Da sah er, wie der Junge zu schreiben begann und gleichzeitig laut vor sich hinsprach:
    »Mr. Mac Andrew, Glasgow, Victoria-Street, Mr. X., London, Picadilly-Street, Mr. Y., Paris, Signor Z., Rom, X. C. 17, postlagernd Gorla.«
    Bei dem Worte Gorla war Gransfeld aufgesprungen. »So!« Rudi warf den Bleistift hin. »Das sind sie.« »Was soll das heißen, Rudi?«
    »Entschuldigen Sie, Herr Doktor, daß ich so ohne weiteres hereinkam! Ich mußte die Adressen gleich aufschreiben, sonst hätte ich sie vergessen.«
    »Was sind das für Adressen? Woher hast du sie? Was soll das Ganze überhaupt bedeuten?«
    »Adressen von Briefen, Herr Doktor. Die Dimitriescu hat sie auf ihrem Zimmer geschrieben und läßt sie eben zur Post bringen.«
    »Die Dimitriescu? Ist denn alles verdreht, Junge? Die soll hier im Hotel sein?«
    »Ein Stockwerk über uns, Herr Doktor. Ich sah sie schon heute morgen, konnte es Ihnen leider bis jetzt nur nicht mitteilen.«
    Gransfelds Blicke wanderten auf das Papier und blieben an der letzten Zeile haften. »X. C. 17, postlagernd Gorla. – Die Briefe gehen eben zur Post.« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Es ist gleich neun Uhr. Der Brief nach Gorla kommt mit dem Abendzug nicht mehr mit. – Fix, Rudi, packen! Sofort packen! Wir werden nach … Halt, nein!«
    Er warf sich in einen Sessel und schloß die Augen. Abwartend stand Rudi am Tisch. In halblautem Selbstgespräch bewegten sich Gransfelds Lippen. »Zu gefährlich, die Bande! Jeder Schritt, den wir tun, wird überwacht, verraten. Unmöglich so. – Doch so – ja, so vielleicht.« Er öffnete die Augen. »Ja, Rudi, mach unser Gepäck noch heute reisefertig!« —
    Es ging bereits stark auf zehn, als Frau Elena Dimitriescu durch eine laute Unterhaltung vor ihrem Zimmer gestört wurde. Schon wollte sie auf den Flur treten, um Ruhe zu verlangen, als sie stockte. Sie glaubte Wagners Stimme zu erkennen. Worüber hatte der verdächtige Bengel sich da draußen mit einem Hotelboy zu unterhalten? Sie legte das Ohr an die Tür, lauschte und hörte, wie Rudi seinen neuen Freund, den Hotelpagen, sehr gründlich über alle Einzelheiten einer Tour nach Chamonix und dem Arvegletscher ausfragte. Schon um fünf Uhr morgens

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