Modesty Blaise 01: Die tödliche Lady
Unter ihr trug er eine Abwandlung des Bucheimer Schulterhalbhalfters, der sich in Quergrifflage zwischen Taille und Achselhöhle schmiegte. Der Revolver war ein Colt Cobra .38 Spezial. Hagan steckte ihn in das Halfter zurück.
Willie nickte beifällig. «Sehr nett.» Er stöberte in dem Koffer und steckte etwas in die Tasche; stöberte weiter und zog eine automatische Smith & Wesson, Modell 39, hervor. Er sah sie mit einer Grimasse an und sagte: «Wär mir lieber, ich könnte diese verdammten Dinger schätzen», und schob sie Hagan zu.
«Wozu das?»
«Stecken Sie sie in die Tasche, bitte, Mr. Hagan. Rechte Jackentasche. Das Drehbuch zu unserem Spiel besprechen wir auf dem Weg zu Pacco.» In dem großen Salon der Suite sagte Tarrant: «Ich bin einer jener altmodischen Menschen, die doch tatsächlich den Grundsatz der Vergeltung billigen. Ich bin auch Ihrer Meinung, daß die Beseitigung von Pacco uns eine Möglichkeit bietet.» Er machte eine Pause und erwog seine Worte. In Modestys Augen lag ein brütender Ausdruck. Er erriet, daß sie jetzt fühlte, was sie sich vor einer Stunde nicht zu fühlen erlaubt hatte, als sie neben einem sterbenden Mädchen gekniet war. Es dünkte ihn richtig, zu versuchen, ihre Stimmung zu brechen.
«Aber ich muß gestehen, daß ich etwas besorgt bin», fuhr er fort, «daß Sie Hagan mit diesem Ihrem Büfettier auf eine so riskante Sache losgeschickt haben.»
Ihre Augen wurden sofort lebendig. «Statt besorgt zu sein», sagte sie mit kalter Wut, «wäre es richtiger, wenn Sie sich einige taktvolle Worte zurechtlegen, die Sie Ihrem Freund, Inspektor Durand, sagen wollen. In Antibes liegen drei Leichen, und noch vor Morgengrauen wird es im
Gant Rouge
einige mehr geben.»
«Ja», erwiderte Tarrant. «Aber ich habe gemeint, ich sollte lieber das Gesamtergebnis abwarten, bevor ich mit ihm in Kontakt trete. Man ist doch gern genau.»
«Wie wird er es Ihrer Meinung nach aufnehmen?»
«Mit Erleichterung, so glaube ich wenigstens. In den letzten paar Jahren hat sich die Kriminalität an dieser ganzen Küste der Chicagos der zwanziger Jahre angeglichen.»
«Das weiß ich.»
«Eben. Und die Lage der Polizei ist kritisch. Ich glaube, Durand wird besonders über Pacco erfreut sein – angenommen, es geht so aus, wie wir hoffen.» Er hob einen kleinen schwarzen Gegenstand auf, der aus ihrer Handtasche gekollert war. «Und was ist dieses hübsche Ding?»
«Ein Kongo. Oder Yawara-Stock.» Ihr Ton war plötzlich leichter, und er wußte, daß sie den Zweck seiner aufreizenden Worte erkannt hatte. «Es ist eine sehr alte orientalische Waffe und sehr einfach zu handhaben. Man kann damit hinauf, hinunter, von jedem Winkel aus zuschlagen.»
Tarrant umspannte den Kongo. «Wohl kaum genügend schwer, hätte ich gedacht.»
«Man verwendet ihn gegen vitale Punkte. Nervenzentren. Dann ist er so wirkungsvoll wie ein Bleiknüppel.»
«Ich verstehe.» Er hob fragend die Augenbrauen.
«Und von wem erlernt man die subtile Kunst der Anwendung?»
Sie lächelte und machte große Augen. «Aber natürlich doch von meinem Büfettier.»
Hagan ging durch einen breiten, teppichbelegten Gang zu einer quadratischen Vorhalle, in der ein Mann saß und Zeitung las. Willie Garvin, der an Hagans Seite knapp hinter ihm herging, sagte: «
Ça va, Maurice
?» Der Mann hob den Kopf, glotzte ihn sichtlich ohne Freude an, stand dann auf und sagte unsicher: «Willii.»
«Der da heißt Hagan», sagte Willie. Er sprach fließend Französisch mit wenig Akzent und drückte sich gewählter als in seiner Muttersprache aus. Er drehte Hagan leicht herum, so daß Maurice das Messer sehen konnte, das Willie an Hagans Rücken hielt. «Er hat mir viele schwierige Fragen über Pacco gestellt, daher habe ich ihn um alter Freundschaft willen hergebracht. Es scheint mir besser, daß Pacco sie selbst beantwortet.
D’accord
?»
Maurice fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und zwang sich zu einem Lächeln. «Zweifellos», sagte er, ging zur Tür von Paccos Arbeitszimmer, trat ein und schloß die Tür hinter sich. Sekunden später öffnete sie sich wieder, und er winkte.
«
Bien, Willii
.»
Hagan ging voraus und spürte die Spitze von Willies Messerklinge im Rücken. Hinter einem reichgeschnitzten Schreibtisch saß ein dicker Mann mit feistem Gesicht. Er trug einen hellgrauen Anzug, um dessen rechten Ärmel sich ein fünf Zentimeter breiter Trauerflor schlang. Im Zimmer standen außerdem vier Männer.
Sie waren von einem Typ, den Hagan
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