Modesty Blaise 01: Die tödliche Lady
Weg wäre. Es wäre jedenfalls der Mühe wert, es einmal zu versuchen.»
«Schön. Bring doch bitte die Lebensmittel aus dem Wagen herein, wenn du mit dem Gerät fertig bist, Willielieb.» Sie ging durch den Flur und die Treppe hinauf.
Paul war in dem großen Schlafzimmer, das auf den Garten hinausging. Er hatte seine Koffer und auch die ihren hereingebracht.
«Ich nehme das Zimmer nebenan, Paul», sagte sie.
Er sah sie erstaunt an. «Was ist denn mit dem hier nicht in Ordnung?»
«Nichts. Aber wir werden nicht miteinander schlafen, Liebling.» Sie lächelte und berührte seinen Arm, als sie zum Fenster ging. «Um so schöner wird es nachher sein.»
Hagan setzte sich auf das Bett und zündete sich eine Zigarette an. «Ich weiß, wir haben eine Menge vor uns», sagte er bedächtig. «Wir müssen hinaus und wie die Ameisen fleißig sein bei dem Versuch, etwas auszugraben, während sich der Mob hier immer noch in einem Schockzustand befindet. Aber manchmal müssen wir doch auch schlafen. Warum dann nicht miteinander?»
«Es macht einen Unterschied», sagte sie. «Nur einen kleinen, aber wir können ihn uns nicht leisten.»
Hagan spürte seine Muskeln zucken. Ihre ruhige, geduldige Antwort ließ Trotz in ihm aufwallen. Er drückte die Zigarette aus, ging durch das Zimmer, nahm sie bei den Schultern und riß sie herum, so daß sie ihn ansehen mußte. «Was, zum Teufel, redest du da?» sagte er. «Wir sind jetzt in der Sache drin, schön. Aber es ist schließlich keine Suche nach dem Heiligen Gral. Fasten und ein Nagelbett hilft auch nicht weiter. Schau, ich kann dich jetzt über dieses Bett legen und dich nehmen und trotzdem hingehen und genauso schnell vorgehen wie der Nächstbeste.»
«Nicht ganz so.»
«Sagt die Dame mir», entgegnete er. Plötzlich war er wütend, weil er entdeckte, daß die eine Hälfte seines Verstandes ja doch die Linie ihrer Backenknochen und den Umriß ihrer Lippen studierte. «Ich möchte wissen, wie es dir gelingt, so gottverdammt deiner selbst sicher zu sein», sagte er.
«Willst du unbedingt, daß ich dir damit ins Gesicht springe, Paul?»
«Bitte sehr. Spring mir damit ins Gesicht.»
«Schön. Du bist Amateur. Ich bin Profi. Du bist intelligent, schnell, gut mit der Pistole, gut mit den Händen. Das genügt aber nicht. Du verläßt dich auf deine Talente, und das genügt auch nicht.» In ihren Augen stand keine Grausamkeit, aber auch keine Nachsicht.
«Weiter», sagte Hagan.
«Ich war nicht so gut mit einer Waffe wie du. Ich habe zwei Jahre zwei Stunden täglich damit verbracht, gut zu werden. Es mag nicht der Mühe wert erscheinen. Wie oft muß man wirklich eine Waffe benützen, ich meine, um mit ihr zu schießen? Einmal in drei, vier, fünf Jahren?
Schön. Ich habe 1500 Stunden damit verbracht, mich für dieses eine Mal fit zu machen. Weil ich ein Profi bin, Paul. Ich habe Tausende Stunden damit verbracht, mich auf alle Arten in jeder Weise für jene wenigen Fälle fit zu machen, als Fitsein Leben statt Sterben bedeutete. Tausende Stunden. Weil ich eben ein Profi bin. Ich bin weder stolz darauf noch schäme ich mich dafür. Aber ich bin es nun einmal.» Sie schwieg plötzlich und lächelte.
«Verzeih. Hier endet die Lektion.»
Hagan drehte ihren Kopf sanft gegen das Sonnenlicht, das durch das Fenster strömte, und folgte mit den Fingerspitzen der Linie von dem kleinen, flachen Ohr zu Nacken, Hals und Schulter.
«Diese Kurve», sagte er. «Ich muß sie auf die Leinwand kriegen!»
«Du wirst doch das Bild nicht ändern?»
«Ich muß. Wann wirst du mir wieder sitzen?»
«Nachher. Sitzen, stehen, liegen – alles, was du willst. Aber nachher, Paul.»
Er nickte und ließ sie los. Er nahm seine zwei Koffer, ging hinaus und über den Gang in das andere Zimmer.
Am dritten Tag, bald nach Einbruch der Dämmerung, holte Willie Garvin Tarrant in La Brague ab und brachte ihn in die Villa. Hagan war erst vor einer halben Stunde aufgewacht, da er bis fast zur Morgendämmerung fortgewesen war.
Er kam frisch gebadet und rasiert herunter.
Modesty stand mit einer blau-weiß karierten Schürze über einem Pullover mit Hemdkragen und engem Rock in der Küche und bereitete das Essen zu.
Tarrant küßte ihr die Hand. «Ich führte vor einer Stunde ein verschlüsseltes Telefongespräch mit Fraser», sagte er. «Bei ihm sind keine Berichte eingelaufen, die uns helfen könnten. Gabriels Yacht liegt immer noch vor Haifa. Gabriel selbst könnte überall sein. Haben eure Nachforschungen
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