Modesty Blaise 01: Die tödliche Lady
etwas ergeben?»
«Nein.» Modesty wendete die vier Kalbskoteletten unter der Grillhaube und schüttelte die Pfanne mit Röstkartoffeln. «Wir drei sind fast mit jedem Kontaktmann, den wir zwischen Toulon und Mentone haben, in Fühlung getreten.»
«Dem Himmel sei Dank für die neue Autostrada», sagte Hagan und holte Bestecke aus einer Lade. «Ich helfe Willie beim Tischdecken. Zwar ist er an der Reihe, aber ich bin eben so.» Er ging in das kleine Eßzimmer.
«Also dann noch immer kein Durchbruch?» fragte Tarrant.
«Wir müssen noch einige überprüfen», antwortete Modesty. «Aber große Hoffnungen habe ich nicht.»
«Die
Tyboria
fährt in ein, zwei Tagen von Kapstadt ab, mit den Diamanten. Von jetzt an kann jederzeit etwas geschehen.»
«Ich weiß. Aber das ist Ihre Aufgabe. Die meine ist, von der anderen Seite her zu arbeiten. Der Gabriel-Seite.»
«Falls es Gabriel ist.»
«Es ist Gabriel. Haben Sie die Hinterzimmerjungen Léon Vaubois’ dazu gebracht, Paccos Codebuch und das andere Zeug durchzugehen, das Willie und Paul mitgebracht haben?»
«Ja. Unproduktiv. Nachrichten sind nicht aufbewahrt worden, so daß das Codebuch nichts nützte. Wir wissen nur, daß Pacco in Funkverbindung mit jemandem auf einer bestimmten Frequenz stand.»
«Mit Gabriel. Und Pacco wird nicht die einzige Außenstelle der Gruppe gewesen sein. Wurden sie abgehört?»
«Ergebnislos. Ich vermute, daß die Frequenz geändert worden ist, sowie sich Pacco beim nächsten Routineanruf nicht mehr meldete.»
Tarrant sah zu, wie Modesty die Koteletten in eine vorgewärmte Pfanne gleiten ließ. Auf jedes legte sie Kapern und Anschovisringe. In einer großen Pfanne brieten vier Eier. Auf jedes Kotelett legte sie eines.
«Wohin gehen Sie von hier aus, Modesty?» fragte er leise.
«Das kann ich Ihnen in zwei Tagen sagen, wenn wir die letzten Kontakte überprüft haben», sagte sie und nahm die Schürze ab. «Fertig. Und wir haben ein Gesetz, Sir Gerald – nichts Dienstliches, solange wir essen.»
«Höchst kultiviert. Es fördert außerdem die Leistungsfähigkeit. Sind wir hier sicher?»
«Willie hat eine Reihe von Alarmen eingebaut. Sollte jemand daherkommen, dann wissen wir es sofort.
Wollen Sie bitte die Salatschüssel mitnehmen?»
Es war ein einfaches, aber gutes Mahl, und auch die Gespräche waren gut, ohne allzu anspruchsvoll zu sein.
Tarrant verzeichnete, daß sich die drei gut vertrugen und es alle drei verstanden, wie man durch die Art des Zuhörens, wenn ein anderer sprach, positiv zum Gespräch beiträgt.
Modesty war in einer neuen Stimmung, die Tarrant an ihr noch nicht kannte. Er konnte sie schwer definieren. Modesty war fast fröhlich, fast gespannt, fast erregt, aber keines dieser Wörter konnte genau auf sie angewandt werden. Als er ihr zu der Mahlzeit gratulierte, lächelte sie ihr plötzlich auffunkelndes Lächeln in Erwiderung des Kompliments, schüttelte aber den Kopf.
«Meine Künste haben ziemlich enge Grenzen. Sie sollten hier sein, wenn Paul in der Küche regiert. Er ist darin wirklich ein Meister.»
«Kommen Sie aber ja nicht, wenn Willie an der Reihe ist», sagte Hagan. «Würstchen und Kartoffelpüree.» Modesty rümpfte die Nase. «Und gewöhnlich angebrannt.»
«Ihr Undankbaren», sagte Willie, durchaus nicht beleidigt. Tarrant war nun schon daran gewöhnt, daß Willie Wörter verwendete, die nur selten in einem Vorstadtvokabular vorkommen. «Und angebrannt ist ein relativer Begriff. Ich persönlich würde knusprig sagen.»
«Stimmt, es ist ausschließlich eine Sache der Wortwahl», sagte Tarrant. «Ich behaupte aber trotzdem, daß es ein ausgezeichnetes Mahl ist, Modesty. Gibt es eigentlich etwas, das Sie nicht hervorragend können?»
«Leider vieles. Lassen Sie mich überlegen – also: Ich kann nicht nähen, und ich hab kein Glück mit Blumen; alles, was ich anpflanze, ist dem Tod geweiht. Ich wage nicht zu singen, nicht einmal in der Badewanne, weil mein Stimmumfang ungefähr eine halbe Oktave beträgt. Ich spiele kein Instrument. Ich habe keinen Gaumen für Wein – ich mag lieber einen derben algerischen Rotwein als eine erlesene Marke. Ich kann keine Kreuzworträtsel lösen. Ich verstehe nichts von moderner Bildhauerei –»
«Was verstehst du daran nicht?» fragte Hagan erstaunt und legte die Gabel hin. «Alles, was man dazu braucht, ist ein einziges Auge und ein paar graue Zellen.»
«Jetzt kommen sie in Fahrt», sagte Willie. Das Gespräch floß dahin. Es war frisch und anregend, und
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