Modesty Blaise 01: Die tödliche Lady
ein Mann, der viele Unternehmungen besitzt. Darunter auch eine ansehnliche Dokumentarfilmgesellschaft.»
«Und die dreht einige Unterwasserserien?»
McWhirter stieß Modesty mit einem knochigen Ellbogen an und zwinkerte. «Sie sind ein logisch denkendes Frauenzimmerchen. Ja. Eine Gruppe, die die richtige Art Dokumentation um die griechischen Inseln herum macht. Sie hat die Tasse teuer und den Formalitäten entsprechend gemietet.»
«Und ihr habt diesen Überbau hinzugefügt», sagte sie und deutete mit dem Kopf auf die umgedrehte Glocke.
«Und werden ihn abmontieren, wenn er seinen Dienst getan hat, Ma’am.»
«Aber nicht ohne Spuren zu hinterlassen.»
«Stimmt. Aber am letzten Drehtag wird die Tauchtasse einen kleinen Unfall haben, der den Oberteil des Rumpfs beschädigt.»
«Wogegen sie natürlich versichert ist.»
«Warum haltet ihr beide eigentlich nicht den Mund», sagte Mrs. Fothergill ohne Zorn. Sie lehnte am Geländer des Laufstegs und sah ziemlich uninteressiert zu, was sich unten abspielte. «Reden, Reden, nichts als verfluchtes Reden. Wenn ich Sie je erledige, McWhirter, dann wird es Ihre Larynx sein, die als erstes einen Hieb abbekommt.»
McWhirter lachte fröhlich und sagte: «Liebe Dame!»
Modesty sah Willie in die Glocke klettern und durch die Doppeltür nach unten verschwinden. Seine Hände zogen die äußere Tür an der Basis der Glocke hinunter. Sie sah, wie sie sicher festgemacht wurde, dann sprach Gabriel am Telefon, beobachtete dabei die Tasse, und eine Zeitlang schien ein Testvorgang abzulaufen.
«Ist Gabriel in Kontakt mit ihnen?» fragte Modesty.
McWhirter schüttelte den Kopf. «Nicht direkt. Über den Funkraum. Dort haben wir eine Langwellenverbindung mit der Tasse. Wir gehen ohnehin später hinauf.»
Gabriel hing den Hörer ein und sagte etwas zu Borg, der brüllte: «Zurücktreten!» Die Männer unten traten weit von der Stelle zurück, auf der die Tauchtasse stand. Auf dem Steg umgingen zwei Männer sich schließende wasserdichte Türen. Sie signalisierten Gabriel; im Laderaum herrschte plötzlich gespanntes Schweigen. Niemand rührte sich.
«Von Stapel!» sagte Gabriel.
Ein Motor heulte auf, und die Tauchtasse wurde von den Nylonseilen einige Zentimeter von den Holzkeilen hochgehoben. Männer stürzten vor und zogen die Blöcke weg. Gabriel gab jemandem, den Modesty nicht sehen konnte, ein Signal. Einen Augenblick später polterte es leise, die Stahlplatten des Schiffsrumpfs glitten langsam auseinander, und ein langer Abdichtungsstreifen zerriß, als sich die Platten trennten.
Das dunkle, ölige Wasser des Hafens plätscherte leise in dem unteren Teil des Laderaums, aber das Wasser stieg kaum, da der luftdicht verschlossene Raum selbst wie ein massiver Caisson funktionierte. Ein weiteres Signal, und die Tauchtasse mit ihrem klobigen Überbau senkte sich langsam ins Wasser. Als sie, halb untergetaucht, schwamm, gingen Männer zum Rand des offenen Schiffsrumpfs und lösten die Nylonstricke.
Gabriel nahm den Telefonhörer auf und sagte etwas.
Fünf Sekunden vergingen. Modesty sah, wie in der Glocke Wasser hochstieg.
«Es wird eingepumpt», sagte McWhirter. «Sonst könnte es in einem Schwall plötzlich in sie hineinstürzen und sie vielleicht umwerfen.»
Je höher das Wasser in der Glocke stieg, um so tiefer sank der Tauchapparat. Bald war der Rand der Glocke nur noch wenige Zentimeter über der Wasseroberfläche.
Und dann war überhaupt nichts mehr von ihm zu sehen. Die Platten polterten an ihre Stelle zurück, und die Männer wateten durch einige Zentimeter hohes Wasser, um die ineinandergreifenden Ränder abzudichten. «Wir verfolgen es vom Funkraum aus, McWhirter!» rief Gabriel. «Bring die Blaise mit.»
An der Wand des Funkraums war ein Plan an die Wand geheftet, ein langer Papierstreifen mit der maßgerechten Zeichnung eines Schiffs und der Tauchtasse, mit Zeiten und Entfernungen in dem Maßstab, der am unteren Rand des Plans eingezeichnet war.
Durch eine offene Luke an der gegenüberliegenden Seite der Kabine konnte Modesty ein weißes Schiff knapp außerhalb der Kanaleinfahrt liegen sehen. Sie wußte, daß das die
Tyboria
sein mußte. Tarrant und Paul würden sie von ihrem Aussichtspunkt über dem Hafen durch Ferngläser beobachten. Sie würden auch die
Mandrake
beobachten, weil sie glaubten, daß Modesty und Willie auf ihr Gefangene waren. Den Frachter
Andronicus
würden sie nicht beobachten, der sich zur Abfahrt bereit machte.
Die
Tyboria
und
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