Modesty Blaise 01: Die tödliche Lady
Tasche von Willies Windjacke. Sie zündete sich eine Zigarette an und setzte sich auf die Koje.
Das Schiff schaukelte leicht auf den Wellen des Hafens. Es lag noch immer vor Anker. Der Lukendeckel war versperrt. Sie wußte, daß Tarrant und Paul irgendwo sein würden, von wo aus man den Hafen übersehen konnte. Vielleicht in einer der Hafenkanzleien. Sie würden Gabriels Yacht, die
Mandrake
, beobachten. Gabriel aber war hier, auf einem kleinen Frachter, der eine Viertelmeile weiter weg lag. Sie hatte den Namen erspäht, als sie und Willie in der Finsternis an Bord gebracht worden waren:
Andronicus
.
Modesty fragte sich, was wohl Willie beigebracht wurde – aber nur einen Augenblick. Vermutungen waren sinnlos. Sie empfand keine Besorgnis, denn das schwächte nur, und sie hatte sie vor vielen Stunden abgelegt, als der Anruf von Hakim den ersten Schritt des Tricks mit dem lebenden Köder veranlaßt hatte. Ihr Geist war ein sorgfältig beherrschtes Instrument, das alle Überlegungen abwies außer solchen, die lebenswichtig waren oder es werden konnten – für diese allerdings war er unendlich empfindlich.
Die Tür öffnete sich, und Mrs. Fothergill kam herein. Die unintelligenten Augen überflogen Modesty mit einer Spur Gier, wie bei einem Hund, der einen Knochen wittert. «Gabriel will, daß du dir anschaust, wie es funktioniert», sagte sie und kicherte. «Er ist ein bißchen stolz darauf, und ich kann nicht sagen, daß ich ihm einen Vorwurf daraus mache.»
«Könnte ich diese Handschellen loshaben – gerade nur für zwei Minuten?»
«Eh?» Mrs. Fothergills mißtrauischer Blick schwand langsam, und Verständnis dämmerte auf. «Mußt aufs Töpfchen, ha? Schön, Herzchen, aber die Handschellen bleiben, bis Gabriel es anders sagt. Du schaust gelenkig genug aus, daß du zurechtkommst. Hier hinaus.»
Zehn Minuten später stand Modesty mit Mrs. Fothergill auf einem Laufsteg und blickte in einen Laderaum hinunter, der ungefähr zwölf Meter im Quadrat maß. Der Steg führte an drei Seiten entlang, der Schiffsboden war zugleich der Boden des Laderaums; die Planken waren sauber und trocken. Die anwesenden Männer – etwa ein Dutzend – waren teils auf dem Steg, teils im Laderaum beschäftigt.
Auf den Schiffsplanken des Laderaums ruhte auf Holzkeilen ein grotesker Gegenstand. Einen Teil davon erkannte Modesty – ein großes, abgeflachtes, pfannkuchenartiges Gebilde aus Schmiedestahl, mit einer stromlinienförmigen Hülle aus grünem Fiberglas um den Rand, die von zwei riesigen Plexiglasluken unterbrochen war. Aus Leitflossen an beiden Seiten des Hecks ragten zwei kurze, rechtwinklig gebogene Rohre vor – Düsentüllen, aus denen das Wasser zu Antrieb und Steuerung herausgepumpt wurde.
Das Groteske an dem Gebilde war jedoch die große, umgekehrt aufgesetzte Glocke, die über die Tauchtasse ragte und anscheinend mit einem zehn Zentimeter breiten Stahlkragen auf ihr befestigt war. Um den Rand der Glocke lag ein dicker Gummiflansch. Vom Steg aus konnte Modesty in die Glocke hinein und die offene runde Lukentür an ihrer abgeflachten Basis sehen.
Von einem Gerüst oben gingen drei geflochtene Nylonkabel von einem Mittelpunkt aus zu dem Metallbauch der Tauchtasse, an dem sie mit kleinen Stahlösen an ihren Enden befestigt waren. Sechs Männer waren mit der letzten Überprüfung der elektrischen Vorrichtungen beschäftigt, die zwischen dem inneren Stahl- und dem äußeren Fiberglasmantel untergebracht waren. Willie Garvin sah ihnen zu. Er trug einen sehr leichten Overall, geliehene Tennisschuhe und hatte keine Handschellen mehr an. Ein kleiner, dunkler Mann in einem ähnlichen Overall kletterte eben außen eine Strickleiter zum Rand der Glocke empor, überkletterte ihn, ließ sich auf die Basis innen nieder und verschwand durch die doppelte Lukentür ins Innere der Tauchtasse.
Willie Garvin schaute hoch und erblickte Modesty auf dem Steig. Sie hob die gefesselten Hände als Gegengruß. Er lächelte, wies auf die Tauchtasse und schüttelte den Kopf in zögernder Bewunderung.
Gabriel, Borg und McWhirter standen an einer anderen Stelle des Stegs an einer Kontrolltafel und einem Wandtelefon. McWhirter erblickte Modesty und Mrs. Fothergill und kam händereibend herbeigehüpft.
«Gefällt es Ihnen, junge Dame?» fragte er grinsend. «Ich bin mir noch nicht ganz sicher», antwortete Modesty. «Es ist die Cousteau-Tauchtasse, nicht?»
«Nein. Gioletti. Sehr ähnlich.»
«Wie ist Gabriel zu ihr gekommen?»
«Och, er ist
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