Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits
hörte ich, du hättest eine halbe Million verloren. Als ich von der Bar auf die Straße ging, war daraus bereits eine ganze geworden.»
«Krasse Übertreibung. In Pfunden ausgedrückt verlor ich alles in allem mehr als dreihunderttausend. Ich verlor neunmal hintereinander beim letzten Spiel hieß es: doppelt oder nichts.» Er stieß einen leisen Pfiff aus. «Du lieber Gott!»
Sie deutete mit dem Kopf gegen die Tür zum Wohnzimmer ihres Apartments. «Dort gibt es etwas zu trinken, wenn du magst.»
«Danke.» Er erhob sich und ging zur Tür. «Jetzt kann ich einen brauchen. Und du? Rotwein?»
«Nicht jetzt. Es sei denn, du magst nicht allein trinken.» In seine Züge war das Lachen wieder zurückgekehrt. «Spielt mir keine Rolle. Ich mache alles allein.
Fast alles.»
Er ging in das Nebenzimmer und drehte dort das Licht an. Sie hörte das Gläserklirren. Eine halbe Minute später kam er mit einem hohen Glas voll Brandy, Soda und Eis zurück. Er ging an dem Lehnstuhl neben dem Fenster vorbei und setzte sich zu ihr auf den Bettrand.
«Das ist eine schöne Stange Geld», sagte er. «Wie stehst du jetzt da?»
Sie legte eine Spur von Bitterkeit in ihr Lächeln.
«Nicht ganz bankrott, aber ziemlich schlecht.»
«Du hast eine große Wohnung in London, hörte ich. Und dann hast du ein Haus in Tanger.»
«Da ist schon eine Hypothek darauf. Wahrscheinlich werde ich es verkaufen müssen.»
Er trank die Hälfte seines Brandy-Soda und würde das Glas beim zweiten Zug völlig leeren, wie sie sich erinnerte. Er betrachtete sie neugierig.
«Was wirst du also tun, Modesty?»
«Ich werde mich weder um einen reichen Mann noch um einen reichen Liebhaber umsehen, noch werde ich ein Leben in einer Drei-Zimmer-Wohnung beginnen.»
«Was wirst du also tun?»
«Du meinst in bezug auf Arbeit? So wie früher?»
«Ja.»
«Hättest du irgendwelche Vorschläge?»
Er schwieg eine Weile, fuhr sich mit dem Finger über die Oberlippe und schüttelte schließlich den Kopf.
«Leider. Im Augenblick fällt mir nichts ein.»
«Ich erwartete auch nichts.»
«Wieso?» Er war verdutzt.
«Du würdest mich in kein Geschäft hineinbringen, in dem du bereits steckst, und ich würde das auch gar nicht wollen, Mike.» Die Worte klangen leicht und freundlich. «Wir brauchen einander nicht.»
«Oh, denkst du vielleicht, ich würde mich nicht um dich kümmern?»
«Ich würde mich kränken, wenn du es nicht tätest.»
Das war eine Lüge. Sie wäre weit eher überrascht gewesen, wenn er sich tatsächlich Sorgen um sie gemacht hätte. «Aber ich mußte mich lange Zeit selbst um mich kümmern. Immer, Mike. Was ich verloren habe, werde ich allein wieder hereinbringen.»
Er trank den Rest seines Brandy-Soda, stellte das Glas ab und fragte: «Bald?»
«Sehr bald.» Ihre Stimme war weich und ihr Gesicht ruhig, aber es umgab sie plötzlich eine Aura unerschütterlichen Willens.
«So hast du also irgend etwas vor?» lächelte Mike Delgado. «Genau, was ich von dir erwartet habe. Ich werde keine Fragen stellen.»
«Ich würde sie auch nicht beantworten.»
«Natürlich.»
Er ergriff ihre Hand, nahm den Zigarettenstummel aus ihren Fingern, drückte ihn in der Aschenschale auf ihrem Schoß aus und stellte den Aschenbecher auf das Nachttischchen. Während er noch immer ihre Hand hielt, rückte er näher und wandte sich ihr voll zu. Er sagte: «Es ist schon lange her.» Zart faßte er den Aufschlag ihres Morgenrocks und schob ihn über die rechte Schulter, dann entblößte er ihre linke Schulter. Seine Hand strich über ihre Stirn, ihre Wange, ihren Hals und bewegte sich langsam hinab, um ihre Brust zu umfassen.
Sie fühlte, wie der bittersüße Schmerz in ihren Lenden erwachte, aber plötzlich schob ihr Geist einen stählernen Riegel vor und feite sie gegen jede körperliche Empfindung.
Mike betrachtete ihren Körper und sagte: «Ja … du bist erwachsen geworden, meine Süße.»
«Ich war immer erwachsen. Sieh mich an, Mike. Nein, mir ins Gesicht.» Sie hielt seinem Blick stand und sagte sehr ruhig, sehr überlegt: «Nicht jetzt.»
«Nein?» fragte er amüsiert und ohne Groll. «Sag mir, warum nicht.»
«Aus vielerlei Gründen. Erstens, weil ich nicht will, zweitens, weil jetzt der falsche Moment ist, und drittens, weil ich mich keinen Spielen hingebe, wenn ich zu arbeiten habe.»
«Zu arbeiten?»
«Ich sagte es dir doch. Ich verlor ein Vermögen.
Ich muß zusehen, wie ich wieder zu einem komme.»
Seine Augenbrauen zogen sich plötzlich
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