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Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits

Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits

Titel: Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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Prinzessin.»
    «Ja.» Sie schloß die Augen. Ihr Körper war gelöst, ihr Geist jedoch klar und köstlich angespannt. Sie empfand die gleiche Euphorie wie der Bergsteiger, der vor dem Überhang steht, der Fallschirmspringer, der darauf wartet, abzuspringen, oder der Großwildjäger, der sich an den Tiger heranpirscht. Das war ihr Stimulans, und sie war darüber weder glücklich noch traurig. Sie nahm es einfach hin.
    Vor langer Zeit, in den Tagen, da sie noch eine kleine, namenlose Wildkatze gewesen war, in den Kriegstagen und auf ihren endlosen einsamen Wanderungen über den Balkan und durch den Mittleren Osten, damals war diese Empfindung nackte Angst gewesen, aber noch vor ihrer Reifezeit hatte sich dieses Gefühl durch die lange Gewöhnung zu jenem Stimulans umgewandelt, das es jetzt war.
    Wie der Kletterer die vor ihm liegende Route mit konzentriertem Blick betrachtet, um alle Schwierigkeiten, die zu meistern sind, zu beurteilen, so schätzte sie nun die Aufgabe ab, der sie und Willie gegenüberstanden.
    Vier Männer hatten sie geschnappt, vier andere hatten Gin-Rummy gespielt. Der Fiat war weggefahren, was bedeutete, daß zumindest einer weniger war. Es blieben also sieben. Sollten außer diesen Männern noch welche im Haus sein, so hatte sie diese nicht gesehen.
    Es schien ihr jedoch unwahrscheinlich.
    Es war anzunehmen, daß die Männer um halb neun oder neun essen und sich sodann zum Kartenspiel setzen würden. Die günstigste Zeit für den Ausfall würde dieser Moment sein, da sie alle beisammen waren. Ein Kampf gegen im Haus verstreute Männer mit Feuerwaffen wäre glatter Selbstmord.
    Die Couch auf dem Korridor fiel ihr ein. War sie für einen Wächter bestimmt? Es schien wenig Sinn zu haben, eine Tür zu bewachen, die mit dicken Schrauben unverrückbar festgemacht war. Vielleicht war die Couch einfach zur Bequemlichkeit da, vielleicht gehörte sie zur Einrichtung oder diente einem der Männer als Schlafstelle.
    Sie öffnete die Augen und fragte: «Wie lange wirst du für die Vorbereitungen brauchen?»
    Er starrte nachdenklich auf die leere Wand. «Etwa vierzig Minuten. Vielleicht zehn Minuten mehr oder weniger.»
    «Kannst du es leise tun?»
    «Sicherlich. Ich habe eine herrliche Idee. Ich werde dazu etwa dreißig Minuten brauchen.»
    «Du kannst dir ein paar Stunden dazu Zeit lassen. >Wir werden nicht vor neun anfangen.»
    «Ja.» Auch er hatte vorhin die gleichen Gedanken gehabt wie sie und war zu demselben Schluß gekommen. «Hoffentlich sind sie alle in dem großen hinteren Raum. Dort nehmen wir sie doch?»
    «Du von der Küche aus, ich von der Halle.»
    «So ist’s am besten. Es werden sieben sein.»
    «Ja. Ich mache den ‹Festnagler›.»
    «Gut.»
    Sie schwiegen ein paar Minuten. Dann wandte sich Willie zu ihr und sagte: «Prinzessin, was ich dich schon lange fragen wollte, wie kommst du mit
Alice im Wunderland
weiter?»
    «Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.» Sie blickte stirnrunzelnd gegen die Decke. «Wenn ich es gelesen hätte, als ich noch klein war, würde ich es jetzt mit anderen Augen sehen. Aber da ich es erst jetzt lese und weiß, daß Carroll als Klassiker gilt, dabei aber ein bißchen wunderlich war, forsche ich dauernd nach dem Symbolismus und dem psychologischen Hintergrund.»
    Sie machte eine Pause und dachte nach. «Ich glaube, am besten gefallen mir die Verse, aber ich mag Alice nicht. Weshalb fürchtet sie sich nicht mehr?»
    «Nun, weil es wie ein Traum ist, denke ich. Du weißt doch, es ist für das Kind nicht die Wirklichkeit.»
    «In ihrem Alter wurde ich durch Träume mehr erschreckt als durch alles andere.»
    «Ich auch.»
    «Hast du es gelesen, als du klein warst, Willie?»
    «Meine Tante las es mir vor», sagte er gedankenverloren. «Zehnminutenweise. Jeweils zwischen zwei Kunden.»
    Sie wußte von jener ‹Tante›, die vorgegeben hatte, sich um Willie zu kümmern, nachdem seine unverheiratete Mutter gestorben war.
    «Das hätte ich nicht gedacht, Willie, daß sie zu der Sorte gehörte, die einem Märchen vorlesen.»
    «Sie tat es auch nur, wenn sie betrunken war, und zwischen den Kunden. Da wurde sie immer rührselig.
    Wenn sie nüchtern war, konnte ich eher erwarten, daß sie mich prügelte, weil ich nicht schlief.» Er grinste belustigt. «Aber das war mir lieber als Alice im Wunderland, die immer auf einer Gin-Fahne dahergesegelt kam. Jedenfalls lernte ich dabei, wie man Schlägen ausweicht, noch ehe ich sechs Jahre alt war.»
    Er erhob sich und sagte:

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