Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits
Willie hob sie etwas an, beugte sich hinab und lugte durch.
Sie befanden sich am Ende des breiten Korridors, in der Nähe des Kopfendes der Couch. Er hob die Falltür ein wenig höher und bedeutete Modesty, auch durchzuschauen.
Forli lag nicht weit von der Falltür auf der Couch.
Sie konnten seinen Hinterkopf und die Schultern über dem hochgestellten Kopfende sehen. Er las gerade in einem Taschenbuch.
Sie gab Willie ein Zeichen, die Tür wieder zuzumachen, und runzelte leicht die Stirn. Weder für ihn noch für sie wäre es ein Problem gewesen, hinunterzuspringen und Forli auszuschalten, aber dazu mußte die Tür ganz geöffnet werden. Die Scharniere konnten quietschen. Außerdem müßte man aus dem Stand hinunterspringen, und das konnte ebenfalls Lärm machen. Forli brauchte bloß Zeit für einen einzigen lauten Warnschrei.
Willie berührte ihren Arm. Im Dämmerlicht sah sie, daß er Daumen und Zeigefinger zu einem Kreis krümmte. Er ging zu dem Loch zurück und verschwand darin. Als er zwei Minuten später wieder auftauchte, hielt er die beiden Bleistücke in der Hand.
Sie schüttelte den Kopf. Zwar konnte Willie jedes Ding mit unfehlbarer Sicherheit werfen. Er konnte Forli spielend leicht erledigen, aber wenn das Bleistück zu Boden fiel, würde es einen lauten Plumps machen.
Nun erst sah sie, daß er einen langen Streifen der Decke an das schwerere Bleistück angebunden hatte.
Er lag flach auf dem Boden, während sie die Falltür hob … fünf, zehn, zwanzig Zentimeter. Die Scharniere quietschten nicht. Nun war die Öffnung weit genug, damit er sich auf dem Bauch nach vorn schieben und den Körper zur Hälfte aus der Luke strecken konnte. Sie setzte sich auf seine Oberschenkel, um ihn so zu halten.
Willie Garvin schätzte die Entfernung ab und warf das Stück Blei mit einem raschen, abwärtsgerichteten Schwung aus dem Handgelenk. Es traf Forli hart auf dem Hinterkopf. Der Mann bewegte sich kaum.
Seine Arme fielen einfach seitlich herab, und das Buch blieb auf seinem Schoß liegen. Das Bleistück rutschte auf die Kopflehne der Couch und glitt von dort ab.
Willie riß an der aus Deckenstreifen geknüpften Schnur, die er in der anderen Hand hielt, erwischte das Bleistück eine Handbreit über dem Boden und ließ es dann wie ein Pendel ausschwingen.
Willie holte die Schnur ein, und Modesty öffnete die Tür weit. Er setzte sich auf, drehte sich um und ließ die Beine durch die Luke baumeln. Vorsichtig schob er sich ein wenig nach vorn, hielt sich mit beiden Händen fest und ließ sich leicht zu Boden fallen.
Modesty warf die Badetasche und die beiden Bleistücke zu ihm hinab. Dann ließ sie sich selbst durch die Öffnung und sprang geräuschlos neben ihm auf.
Willie war bereits dabei, Forli zu durchsuchen. Der Mann trug keine Schußwaffe bei sich, aber in seiner Hosentasche fand sich ein Schnappmesser mit einem Griff aus Bein und Stahl. Die zehn Zentimeter lange Klinge schnellte bei Willies Berührung heraus. Modesty beobachtete ihn, während er staubbedeckt dastand und das Messer auf einem Finger balancieren ließ, um sein Gleichgewicht zu prüfen. Nach einer Weile nickte er und schob die Unterlippe resigniert vor. Er war von dem Messer nicht begeistert, aber es würde genügen.
Sie hob eines der Augenlider Forlis und fühlte seinen Puls. Er hatte eine Gehirnerschütterung abbekommen; wie stark, konnte sie nicht feststellen, aber er würde innerhalb der nächsten fünfzehn Minuten keinen Alarm schlagen, und das war ihre einzige Sorge. Es war nicht nötig, ihn zu fesseln. In fünf Minuten würde alles vorbei sein – so oder so.
Die Treppe führte in eine Halle hinunter. Rechts war der Haupteingang, dann gab es noch drei andere Türen, von denen eine, in den großen hinteren Raum führte.
Sie schlichen beide barfuß, um sich nicht durch das Klappern ihrer Sandalen zu verraten, die Treppe hinab.
Die Tür zu dem hinteren Raum war geschlossen.
Sie hörten Sprechen und das Klirren eines Glases. Eine der anderen Türen stand halb offen. Nach dem Plan des Hauses, der in ihrem Gedächtnis eingegraben war, mußte dieser Raum an die Küche angrenzen. Willie trat zuerst ein. Das Messer hielt er an der Spitze der Klinge zwischen Daumen und zwei Fingern. Modesty folgte einen Schritt dahinter. Sie hatte die Badetasche oben auf dem Treppenabsatz stehengelassen. In einer Hand hielt sie den Kongo, in der anderen ein Bleirohr.
Sie blieben stehen und suchten nach etwas, das sie hier zu finden gehofft hatten: eine
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