Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits
ich glaube, es gibt hier kein Fahrzeug, Willie.»
«Überhaupt nichts dergleichen?»
«Bloß eine Kutsche, ähnlich den Dingern im Wagenmuseum in Lissabon, nur nicht so reich verziert. Aber Auto gibt es keines.»
«Ein Jammer.»
«Allerdings. Ich glaube, Willie, es ist besser, du bringst den einen, der noch oben ist, auch herunter.»
«Lebt er?»
«Er kam gerade zu sich, als ich ihn vorhin sah.»
Willie ging hinauf. Er blieb länger als nötig weg.
Erst nach drei Minuten kam er mit Forli auf den Schultern herunter. Forlis Augen waren jetzt offen. Willie legte ihn neben die anderen auf den Boden.
Als Gerace sich zu bewegen begann, ging Modesty zu dem Sofa hinüber, auf dem er lag. Sie kniff ihn fest ins Ohr. Ein paar Sekunden später machte er die Augen auf. Langsam kam Verstehen in seinen Blick. Seine Lippen versuchten ein schwaches, halb furchtsames, halb hoffnungsvolles Lächeln. Daß er Angst hatte, überraschte sie nicht. Sie hatte oft festgestellt, daß die Berufsverbrecher nur bis zum Augenblick der Niederlage gute Kämpfer sind. Dann war es mit dem Heroismus aus. Sie fragte ihn: «Was sollte das Ganze, Gerace?»
«Ich – ich weiß es nicht. Wirklich nicht.» Seine Stimme klang einschmeichelnd und warb um Verständnis bei einem Gegner, der sich doch in der Branche auskennen mußte. «Montlero bekam den Auftrag – ein guter Job für ihn – und schickte mich mit einigen Burschen. Es ist bloß ein Job – verstehst du?»
«Ich verstehe. Falls du Montlero wieder einmal siehst, dann sage ihm, wenn ich ihn nicht innerhalb eines Jahres umgelegt habe, dann kann er wieder ruhig schlafen. Ich bin nicht nachtragend.»
«Ein Jahr …» Geraces Lächeln wurde zu einer wehleidigen Grimasse. Dann dämmerte ihm eine andere Deutung ihrer Worte, seine Züge hellten sich auf, und er nickte lebhaft: «Wenn ich ihn wiedersehe. Sicher, sicher – ich werde es ihm sagen.»
«Ich meinte, falls du ihn wiedersiehst, Gerace. Und nun erzähle mir, was das für ein Job war.»
Er wollte eine besänftigende Geste machen, zuckte aber vor Schmerz zusammen und hielt sich seinen bandagierten Arm. «Aber ich hab dir schon gesagt, ich weiß es nicht, Modesty –»
Das Messer aus Willies Hand zischte haarscharf an Geraces Ohr vorbei und bohrte sich in die Rückenlehne des Sofas. Gerace nahm die Farbe von schmutziger Milch an.
«
Miss Blaise
, heißt das», sagte Willie. «Merk dir das, du schmutzige kleine Laus.» Er trat an das Sofa heran und zog das Messer heraus.
In seinem Gesicht war ehrlicher Zorn.
«Entschuldigen, okay, entschuldigen», sagte Gerace, irrsinnig vor Angst. «Ich weiß es nicht, Miss Blaise. Wir kommen nach Lissabon und nehmen Kontakt auf – mit dem Mann, den Sie hier bei uns sahen. Wir wissen nicht, wie er heißt. Er nennt uns Sie und –» er schluckte und verbesserte sich noch rasch –, «Mister Garvin. Wir sollten Sie bloß festnehmen und achtundvierzig Stunden lang hierbehalten. Wir mieteten das Haus, richteten das Zimmer her und … machten den Job.»
«Und was sollte nach den achtundvierzig Stunden geschehen?»
«Dann sollten wir Sie gehenlassen, Miss Blaise», sagte Gerace artig. «Die Arbeit war damit erledigt.» Willie Garvin lachte. Es war kein lustiges Lachen.
«Das ist wahr!» beteuerte Gerace mit verzweifelter Anstrengung. «Ich schwöre beim Grab meiner Mutter.»
Modesty sah Willie an. Eine schwach angedeutete Frage lag in ihrem Blick.
«Das mit den achtundvierzig Stunden dürfte stimmen, Prinzessin.»
Er wies mit dem Daumen auf Forli. «Ich hatte eine kleine Unterhaltung mit dem da, ehe ich ihn herunterbrachte. Die gleiche Geschichte, nur erzählte er noch, daß man von uns erwartet habe, wir würden den Bettfuß als Schraubenschlüssel benützen, und daß Gerace mit uns hätte machen können, was er wollte, wenn wir nicht rausgekommen wären.»
«Ich versteh das nicht ganz», sagte sie langsam.
«Ich auch nicht. Willst du die Sache zurückverfolgen? Willst du den Verbindungsmann ausforschen?»
«Nein.» Ihre Worte waren für Gerace bestimmt.
«Wir werden am besten Montlero selbst fragen.» Sie ging an den Tisch und drückte ihre Zigarette aus. «Es gibt kein Telefon hier, Willie. Es sieht ganz so aus, als müßten wir zu Fuß gehen.»
«Gute zehn bis zwölf Kilometer bis nach Cascais, schätze ich.»
«Macht nichts. Es ist eine herrliche Nacht.»
«Diese Schuhe sind nicht sehr bequem, und du hast nur Sandalen. Hast du etwas dagegen, wenn ich mich ein wenig umsehe? Ich glaube,
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