Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits
Weile dahin und hörte schließlich auf.
Modesty sah den Mann, der zuletzt herausgekommen war, an und fragte: «Sind das alle?» Der Mann zuckte die Achseln. Sie trat auf die Baracke zu und ging noch einmal hinein. Auf einem Bett saßen zwei Männer und spielten Karten – oder taten zumindest so. Ein dritter lag auf der anderen Seite des Raumes auf seinem Bett, die Hände im Nacken verschränkt, die Augen halb geschlossen.
Die Fühler ihres Instinkts traten in Aktion, maßen und schätzten ab. Die beiden kartenspielenden Männer waren ein bißchen zu angespannt und ein bißchen zu unnatürlich in ihrer Versunkenheit. Der Mann auf dem Bett war entspannt. Sie wartete. Nach vielleicht fünfzehn Sekunden warf einer der beiden Kartenspieler einen kurzen Blick auf den Mann, der auf dem Bett lag.
Das war für sie die Bestätigung ihrer Vermutung.
Der Mann auf dem Bett war der inoffizielle Anführer der Bande. Das war der Mann, den sie sich vorknöpfen mußte. Er war ein wenig unter 1,80 groß, sehr muskulös, hatte dichtes schwarzes Haar auf der Brust, das über dem runden Ausschnitt seines Leibchens hervorlugte, und lange Arme. Sein knochiges Gesicht war breit und eckig, sein Haar dicht und kurz geschnitten.
Modesty trat an das Fußende des Bettes. Sie nahm von dem Tisch eine halbgefüllte Kaffeekanne auf, blickte hinein und fragte: «Name?»
Er hob ein wenig die Augenlider, sah sie desinteressiert an und antwortete: «Brunig.»
«Hinaus, Brunig!» Sie hob den Arm und goß den Kaffee in weitem Strahl über seinen Kopf und seine Schultern. Dann ließ sie die Kanne fallen und ging rasch zur Tür. «Ihr ebenfalls», sagte sie im Vorbeigehen zu den erstarrten Kartenspielern.
Sie hörte das Knarren des Bettes und den raschen Aufschlag der Stiefelsohlen auf dem Boden der Baracke hinter sich, als sie ins Freie trat. Die Menge draußen war angeschwollen. Männer aus anderen Unterkünften waren dazugekommen. Sie hielt nicht nach Willie Garvin Ausschau; er würde nicht unter ihnen sein.
Sie war bloß drei Schritt von der Tür entfernt, blickte geradeaus mit einem Gesicht, das nichts von der ungeheuren Konzentration in ihrem Innern verriet, da vernahm sie das Knirschen eines Stiefels im Kies – Brunigs erster Schritt außerhalb der Tür. Er war nun nahe und kam rasch noch näher. Plötzlich ließ sie sich nach vorne auf die Hände fallen. Gleichzeitig zog sie die Beine halb an, wandte den Kopf, um über die Schulter spähen zu können, und während Brunig einen vergeblichen Sprung zur Seite versuchte, stießen ihre bestiefelten Füße in einem Eselskick nach hinten und trafen ihn quer über die Brust.
Der Schlag riß ihn ein paar Zentimeter vom Boden hoch, dann flog er rücklings durch die Tür. Drinnen hörte man ihn aufplumpsen. Sie richtete sich auf, drehte sich um und wich zurück, um sich mehr Bewegungsfreiheit zu verschaffen.
Brunig würde wiederkommen. Sie hätte ihn, falls sie nach einer anderen Stelle gezielt hätte, zum Krüppel machen oder bewußtlos schlagen können. Das wußten die Männer, und das wußte Brunig. Aber das war nicht ihre Absicht. Sie mochten ihre Aktion für eine einmalige Sache, für einen Zufallstreffer halten.
Der Kongo steckte in der Schenkeltasche ihrer Hose. Aber diese Sache hier mußte ohne Kongo bereinigt werden.
Diesmal kam Brunig langsam und schweratmend heraus. Auf seinem Gesicht zeichneten sich Flecken ab, die Spuren von Wut und Schock.
Die beiden Kartenspieler folgten ihm und verdrückten sich rasch auf eine Seite.
Nun ging es darum, die Sache schnell zu beenden. Nur kein langes Gebalge mit einmal oben, einmal unten. Sicher war Brunig stark und wendig, sonst wäre er nicht der Häuptling dieser schweren Jungen gewesen.
Sie dachte an nachher. Sie mußte überzeugend gewinnen und trotzdem verhindern, daß Brunig zuviel Gesicht verlor. Er war ein wichtiger Mann in der Abteilung.
Er näherte sich, einen Fuß leicht vorgeschoben, die Knie federnd, gut ausbalanciert, die Hände ziemlich tief herabhängend, halb geballt, bereit, entweder mit der Faust oder mit der Handkante zuzuschlagen.
Sie trat ihm geradewegs entgegen, die Arme lose über der Brust gekreuzt. Dieses völlig unorthodoxe Verhalten verwirrte ihn zunächst einmal. Er zögerte, erwartete einen Trick, schickte sich an, einem Seitenhieb auszuweisen, der aber nicht kam. Noch ein Schritt, und sie war innerhalb seiner Reichweite, ihre Arme noch immer in der gleichen Haltung. Da schlug er mit der Rechten zu, zielte mit der
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