Modesty Blaise 03: Die Lady reitet der Teufel
den Ernstfall gezeigt, wie man mit einem Gewehr und mit einer Handgranate umging. Er brauchte nur auf das Stichwort zu warten.
Collier hoffte sehr, daß dieses Stichwort fiele. Nach seiner Befreiung von der Kapsel war eine Woge aufgestauten Hasses in ihm frei geworden. Jede Art Gewalt war seiner Natur zwar fremd, aber jetzt bemerkte er in sich ein mörderisches Verlangen, den Rückstoß des Gewehrs zu spüren, während er Seff und Bowker, Jack Wish, Sangro und alle seine Moros mit Kugeln vollpumpte. Dieses Gefühl verwirrte ihn keineswegs. Seltsamerweise war er fast sicher, daß Modesty und Willie seine primitiven Rachegelüste nicht teilten. Aber noch sicherer war er, daß sie Seff bei der nächsten Gelegenheit umlegen würden.
Ein leises Geräusch kam aus dem Türverschlag, unmittelbar gefolgt von einem rutschenden, dumpfen Aufschlag und einem erstickten Schrei. Dann, furchtbar laut, ein Schuß. Noch während Collier hochfuhr, ging der Knall in dem Feuerschlag einer Explosion auf der Treppe unter.
Modesty richtete sich auf den Knien auf, verwendete die Brüstung als Armstütze und begann in rascher, doch sparsamer Folge zu feuern. Collier wandte sich herum, kniete sich neben sie und schob seine AR-15 über die Brüstung.
Im Moment konnte er kaum etwas erkennen. Seine Augen waren noch an die Helligkeit des Nachtfernrohrs gewöhnt. Jetzt erst verstand er, warum man ihn ans Noktoskop gesetzt hatte. Modesty hatte ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnen wollen. Sobald er etwas wahrnehmen konnte, erblickte er unten die Männer, die in voller Auflösung Deckung suchten, während andere schon reglos auf dem Boden lagen. Modestys Gewehr bellte dreimal rasch hintereinander auf. Zwei nebeneinander rennende Moros brachen zusammen.
Der dritte Schuß galt einem Mann, der sich in das Baumdickicht zur Linken geworfen hatte. Dann war das Gelände vor dem Haus menschenleer, von den niederen Bäumen zur Linken bis zum Damm rechts und bis hinunter zum Klippenrand.
Etwas knallte in Armeslänge an Colliers Kopf vorüber.
«Kopf weg!» sagte Modesty, und Collier ging gleichzeitig mit ihr hinter der Brüstung in Deckung, wobei ihm klar wurde, daß jener peitschende Knall von einer Kugel stammte, die eben an ihm vorbeigestrichen war.
Das überraschte ihn ein wenig, denn er hatte bisher immer gemeint, daß eine Kugel ein pfeifendes Geräusch verursache. Er dachte darüber nach und schloß, daß der Knall wohl von der hinter dem Geschoß zusammenschlagenden Luft herrühren mochte, wie bei einem Peitschenknall oder einem Blitz.
Dieser Schluß machte ihm Spaß. Er sah Willie Garvin vom Türverschlag herüberhuschen und bemerkte, daß die beiden großen Wurfmesser, die er hinten am Gürtel getragen hatte, fehlten.
«Fünfzehn Sekunden, Prinzessin. Macht euch flach», sagte Willie und warf sich platt über die Seesäcke mit den Handgranaten und die Packen mit dem Plastiksprengstoff. Ohne zu verstehen, warf sich Collier neben ihn.
«Bitte, Luzifer», sagte Modesty.
Den Kopf wendend, sah Collier, daß Luzifer noch immer mit gekreuzten Beinen und abwesendem Blick dahockte. Modesty berührte ihn leise und redete weiter auf ihn ein. Luzifer sah sie verständnislos an und legte sich dann ebenfalls flach hin.
«Drei von ihnen sind die Stiege heraufgekommen, Prinzessin», sagte Willie Garvin. «Zwei hab ich mit dem Messer erledigt, aber der dritte ist mir ausgekommen, so hab ich ihm eine Handgranate nachgeschmissen.»
«Und was ist mit dem Gas?»
«Ich bin dann hinunter und hab eine Tränengasbombe in den Gang geschmissen. Außerdem zwei kleinere Ladungen Plastiksprengstoff unter die Stützwände der Treppe, mit zwanzig Sekunden Verzögerungszündung –»
Seine Stimme ging im Explosionsdonner unter, und der Luftdruck fegte über das Dach. Das obere Ende der Treppe ging hoch, und die dreieckigen Stützwände darunter brachen zusammen. Einige Splitter wirbelten über das Dach. Nachdem der Rauch sich verzogen hatte, sah Collier, daß der Türverschlag nach innen zusammengebrochen war und den Treppenaufgang blockierte.
«Jetzt ist der heitere Teil zu Ende», sagte Modesty.
«Aber wenigstens haben wir neun oder zehn ohne viel Mühe umgelegt. Gut gemacht, Willielieb. Steve, halt mal ein bißchen Umschau, aber schieb das Fernrohr langsam hinauf.» Collier setzte sich auf und hob das Nachtglas an.
Unten war noch immer alles leer. Von irgendwoher ertönte Jack Wishs heiseres Gebrüll. Aus einem tiefergelegenen Fenster hörte man Bowker
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