Modesty Blaise 03: Die Lady reitet der Teufel
nach ihr, umfaßte ihr Handgelenk mit beiden Händen. Der Kongo sauste auf seinen Bizeps nieder, und der eine Arm fiel schlaff herab; dann, nach dem zweiten Schlag, auch der andere.
Mit großen, erschrockenen Augen sah Luzifer, wie Modesty ihm seitlich entschlüpfte, das Bein wechselte und ihn mit dem Fuß unterhalb des Ohres traf. Aber noch im selben Moment umklammerte sie seinen Oberkörper, um sein Gewicht abzufangen, sobald seine Knie nachgaben.
So konnte er nicht fallen und hing nun über ihr. Sie bückte sich, schob ihren Arm zwischen seinen Beinen durch und legte sich den Körper über die Schultern.
Ihre Schenkel- und Bauchmuskeln schmerzten, als sie sich unter der schweren Last aufrichtete.
Sobald sie stand, war der Schmerz leichter zu ertragen. Irgendwie war sie erleichtert, es auf diese Weise erledigt und ihn nicht im Schlaf bewußtlos geschlagen zu haben. Denn dieses Gewicht aus dem Bett auf ihre Schultern zu heben, hätte vielleicht ihre Kräfte überstiegen. Außerdem war es besser, daß er jetzt angekleidet war.
Sie schritt zur Tür, öffnete sie und zwängte sich auf den Flur hinaus, wobei sie versuchte, gleichmäßig und ruhig zu atmen. Die Dielen knackten unter ihrem schweren Schritt.
Jetzt kam rechts die Tür zu Seffs Schlafzimmer. Nur noch die Abzweigung, und es war geschafft.
Plötzlich bellten von irgendwo draußen rasch hintereinander drei Schüsse, dann ertönte ferner Stimmenlärm.
21
Wie in einem Albtraum schien Modesty der Flur mit jedem Schritt länger zu werden.
Schließlich war sie bei den Stufen zum Dach angelangt, aber jede einzelne zu ersteigen erforderte eine gigantische Willensanstrengung. Nur undeutlich drang ihr ins Bewußtsein, daß unten im Haus die Türen zugeschlagen wurden. Noch ein Schritt. Eine Atempause.
Abermals einer …
Dann wurde ihr Luzifer von den Schultern genommen, sie sank zu Boden, schon zur Hälfte durch die Tür des Dachverschlags, und atmete dankbar in tiefen Zügen die frische Nachtluft. Als die den Kopf hob, sah sie Willie mit Luzifer im Schlepptau rückwärts über das Dach und zur Brüstung kriechen, während Steve Collier am Noktoskop kauerte.
Allmählich kam Modesty wieder zu Kräften, richtete sich auf und kroch ebenfalls zur Brüstung hinüber. Das Gewehr des toten Moro lag nun säuberlich bei den anderen Waffen. Es war ein Marlin-.30-30-Repetiergewehr. Der bewußtlose Luzifer lag jetzt neben Collier.
Noch immer außer Atem, fragte Modesty: «Wissen sie schon, daß wir hier oben sind, Willie?»
«Noch nicht. Ein paar von ihnen sind über den Fallschirm gestolpert und haben Alarmschüsse abgefeuert.
Aber wenn sie draufkommen, daß Steve und Luzifer weg sind, werden sie auch aufs Dach heraufschauen.»
«Jetzt ist es schon ein Dutzend», sagte Collier, das Auge am Nachtglas. «Vom Camp kommen sie in Scharen herauf, und das Haus summt wie ein Bienenstock. In ein paar Fenstern brennt schon Licht.»
«Sagen Sie’s mir, sobald dieser verdammte Seff auf der Terrasse oder sonstwo erscheint», sagte Willie..«Je früher wir den umlegen, desto besser.»
«In Ordnung. Aber ich kann von hier aus nur die Vorderfront überblicken. Es gibt auch noch einen nördlichen und einen hinteren Ausgang.»
«Solange sie noch nicht wissen, daß wir hier sind, brauchen wir nur auf die Vorderfront zu achten», sagte Modesty. «Später wird die Sache dann brenzlig. Willie, schau mal nach, ob sie nicht schon die Stiegen heraufkommen.»
Willie nahm zwei Handgranaten, eine Tränengasbombe und ein Wachstuchpaket an sich, das etwas Weiches zu enthalten schien. Während er sich entfernte, griff Modesty nach einem der AR-15-Gewehre und stellte es auf halbautomatisch. Dann legte sie es neben sich bereit und spannte ihren Bogen.
Collier, das Auge noch immer am Fernrohr, sagte leise: «Willie hat mir erzählt, daß im ursprünglichen Plan vorgesehen war, irgendeinen kleinen Küsteneinschnitt zu erreichen, wo ich mit Luzifer hätte warten sollen, während ihr beide nochmals zurückgegangen wäret, um Seff und Jack Wish zu erledigen.»
«Und Bowker.»
«Ganz meine Meinung. Aber jetzt sind wir aufgeflogen.»
«Damit mußten wir rechnen.»
«Was tun wir also?»
«Kämpfen. Vielleicht gewinnen wir. Aber die Hauptsache ist, daß wir bis zur Dämmerung durchhalten. Bis das Schiff kommt.»
«Ich weiß. Dein Freund Dall. Willie hat’s mir erzählt. Und was dann?»
«Wenn die übriggebliebenen Moros einen Zehntausend-Tonnen-Dampfer in die Bucht einfahren sehen, werden
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