Modesty Blaise 03: Die Lady reitet der Teufel
sie wahrscheinlich zu ihren Booten rennen.»
«Samt Seff und Konsorten?»
«Die werden dann hoffentlich nicht mehr leben.»
Collier nahm das Fernrohr vom Auge und blickte Modesty an. «Im allgemeinen kann ich selbstsichere Mädchen nicht leiden», sagte er galant. «Aber unter den gegebenen Umständen mache ich natürlich gern eine Ausnahme. Deine Sicherheit wirkt äußerst beruhigend.»
«Das freut mich. Aber leicht wird das nicht, Steve.
Wir haben einen langen und harten Kampf vor uns. Und die langen nehmen einen am meisten her. Also keine Energieverschwendung, weder körperlich noch geistig, verstehst du.»
«Theoretisch schon.»
«Das ist immerhin ein Anfang. Unsere Stellung ist günstig, und wir können eine Menge Schaden anrichten. Aber bis zum Morgengrauen ist es noch lange, und wir wissen nicht, was bis dahin noch alles passiert. Wir sind auf alles gefaßt, aber es liegt an Seff, den Anfang zu machen.»
Unten vor dem Haus erhob sich Stimmenlärm. Collier blickte abermals durchs Fernrohr und drückte den Knopf. Gleich darauf sagte er: «Jetzt ist Jack Wish heraußen. Er spricht mit Sangro.»
«Schaut irgend jemand zu uns herauf?»
«Nein.»
Modesty drehte sich um und schob ihren Kopf langsam über den Rand der Brüstung. Die Moros unten schwärmten aus und machten sich daran, das offene Gelände abzusuchen. Einige von ihnen würden bald hinter dem Haus verschwunden sein. Das spielte im Augenblick keine Rolle.
Jack Wish, nur in Hemd und Hose, redete gestikulierend auf Sangro ein, zwei der Moros hielten den Fallschirm.
Modesty wog die Vorteile gegeneinander ab. Was war besser: noch nicht entdeckt zu werden oder Wish gleich umzulegen? Sie entschloß sich, abzuwarten. Es war besser, die Nerven der andern möglichst lange durch Unsicherheit und Angst zu zermürben. Außerdem war ihr Jack Wish am wenigsten wichtig. Langsam zog sie den Kopf wieder ein und sagte zu Collier: «Halt weiter Ausschau und sag es mir, sobald du Seff siehst.
Er muß als erster dran glauben. Wish wird auch noch dasein, wenn es erst einmal losgegangen ist. Aber Seff geht dann in Deckung.»
Sie legte ihren Bogen auf ein Stück Schaumgummi und wandte sich der Sanitätstasche zu. Collier nahm den Blick kurz vom Fernrohr und sah, wie sie Luzifer eine Injektion in den Arm gab.
«Was ist das?» fragte er.
«Scopolamin. Er wird aufwachen, aber benommen bleiben. Leicht zu behandeln. Darum wirst dann du dich kümmern müssen, Steve.»
«Ich?»
«Ja. Ich hab ihm erzählt, daß die Hölle sich gegen ihn aufgelehnt habe und Asmodi der Anführer sei. Er ist jetzt so weit, daß er es glaubt. Erzähl ihm das Ganze noch einmal, wenn er zu sich kommt. Mach ihm begreiflich, daß er hier in den Oberen Regionen vernichtet werden kann und daß wir auf seiner Seite kämpfen.»
«Du lieber Himmel», sagte Collier verdrossen. «Müssen wir diese Komödie auch jetzt noch weiterspielen?»
«Nur so können wir ihn bei der Stange halten, und das wird auch nötig sein. Du hast lange genug mit ihm zu tun gehabt, um dich auszukennen.»
«Na schön.» Collier wischte sich die trockenen Lippen. «Auch eine Art, Krieg zu führen.»
«Vielleicht ist dein Geschäft das schwerste dabei –»
Sie hielt inne und spähte mit schmalen Augen über Collier hinweg. Er folgte ihrem Blick und sah gerade noch, wie ein Moro mit schußbereitem Gewehr durch die Tür auf das Dach herauskam.
Ein huschender Schatten verschmolz mit der Gestalt.
Alles spielte sich geräuschlos ab. Willie Garvin fing das fallende Gewehr auf und ließ dann den leblosen Körper des Moro lautlos auf das dicke Bleidach gleiten.
«Der erste», sagte Modesty, und Collier stellte mit plötzlich aufwallender Übelkeit fest, daß er soeben Zeuge vom gewaltsamen Tod eines Menschen geworden war. Als hätte Modesty seine Gefühle erraten, sagte sie leise: «Nein. Schon der zweite. Willie hat beim Absprung einen erledigt. Genauso perfekt. Sonst würdest du jetzt nicht mehr leben. Halt dir das vor Augen, Steve.
Denk daran, daß es ab jetzt nur mehr ums Überleben geht und daß sie Hackfleisch aus uns machen, sobald sie uns bemerkt haben. Du wirst dich also entscheiden müssen, ob du überleben willst oder nicht. Wenn ja, dann ziehst du ohne zu zögern, sobald der Moment da ist.»
Er nickte kurz und brachte erneut das Fernrohr in Stellung. Unten rief Jack Wish gerade etwas zum Haus hinüber. Man hörte Bowkers Stimme von einem Fenster im Erdgeschoß aus antworten.
Willie huschte über das Dach.
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