Modesty Blaise 03: Die Lady reitet der Teufel
dir so einen miesen kleinen Schurken hin, daß es ein Genuß ist!»
Eine Viertelstunde später, sie waren in der Bar, trat einer der Aufwärter herzu und flüsterte Tarrant eine Mitteilung ins Ohr.
«Er ist da», sagte Tarrant leise zu Willie. Die beiden Männer erhoben sich und durchschritten das Vorzimmer. Im Gehen nahm Tarrant Hut und Schirm mit sich. Draußen saß Fraser auf der Stuhlkante. Er trug ein schwarzes Jackett und gestreifte Hosen, hielt den steifen Hut auf den Knien und preßte eine dünne Aktentasche an sich. Befangen sah er den beiden entgegen.
«Ich kann nur hoffen, daß ich nicht störe, Sir Gerald», sagte er ängstlich und erhob sich. «Aber Sie wollten ausdrücklich die Monatsstatistiken sehen, sobald sie da sind.»
«Völlig in Ordnung, Fraser», sagte Tarrant wohlwollend, wobei Frasers Miene sich zu untertäniger Erleichterung verzog. «Wir gehen sofort ins Büro und sehen sie uns an. Ich möchte für meinen morgigen Bericht beim Minister voll informiert sein.»
Draußen am Randstein stand Frasers alter Bentley.
Willie und Tarrant nahmen im Wagenfond Platz. Fraser klemmte sich hinter das Lenkrad und fuhr los. Von hinten wurde zornig gehupt.
«Das hat nichts zu bedeuten», sagte Tarrant zu Willie. «Fraser fährt nach dem selektiven System.»
«Selektiv?»
«Ganz richtig. Sie widmen Ihre Aufmerksamkeit ausschließlich den Verkehrsampeln und den Polizisten, kümmern sich aber weder um den Verkehr noch um die Passanten. Das ist zwar ein bißchen aufregend, aber es funktioniert. Voraussetzung ist natürlich vollkommenes Gottvertrauen und das Freisein von allen Skrupeln.»
Fraser ließ ein meckerndes Lachen hören. «Sir Gerald belieben über mich zu scherzen, Mr. Garvin.» Dabei rammte er sich seinen Weg durch Piccadilly. Der Bentley fuhr zwar nicht schnell, aber mit stetiger und unerbittlicher Majestät.
«Tatsächlich, die weichen alle aus!» sagte Willie beeindruckt.
«Und sie tun gut daran», bestätigte Tarrant. «Fraser, wir wollen zu Modestys Wohnung. Wie war es heute nacht?»
«Ich glaube, Sie werden alles vorfinden, was Sie wünschten, Sir Gerald», sagte Fraser in gezierter Schüchternheit.
«Das ist aber verdammt schnell gegangen, Jack.»
Jetzt, da er sich beim Vornamen genannt hörte, war Fraser wie verwandelt. Alles servile Gehaben fiel von ihm ab, er blickte finster, sein mageres Gesicht straffte sich.
«Und Sie haben verdammt recht», sagte er. «Höchste Zeit, den Saustall in Boulters Abteilung tüchtig auszumisten!»
«So arg ist es?»
Fraser nickte grimmig. «Sie wissen ja, die betreiben ihre Fotoagentur im dritten Stock nur als Aushängeschild. Die eigentliche Arbeit ist im vierten. Nachtdienst gibt es keinen. Es ist nicht danach. Ich ging also in die Agentur, suchte dort ein paar Bilder aus, verdrückte mich wieder und war schon im vierten Stock.
Dort gibt’s noch eine kurze Treppe auf den Dachboden hinauf, aber der Zugang oben ist dauernd versperrt. So setzte ich mich einfach auf die Stufen und wartete.
Nach einigen Stunden gingen alle nach Hause.»
«Bis auf die Nachtwächter?»
«Den Nachtwächter, Einzahl, bitte.! Bis auf ihn. Für den Fall, daß er mich aufstöberte, hatte ich vor, ihm meinen Ausweis zu zeigen. Ich wollte ihn auffordern, die Dienststelle anzurufen, hatte mit Boyd ausgemacht, er solle den Kerl unter dem Vorwand, meine Identität müsse überprüft werden, zehn Minuten am Telefon festhalten. Das hätte mir schon genügt, auf irgendeine Weise ins Aktenzimmer zu kommen und das Gewünschte zu finden. Ich kenne doch Boulters System!»
«Na und?»
«Na, und der Nachtwächter machte seine Runden.
Aber er dachte gar nicht daran, auch die Dachbodentreppe zu kontrollieren! Am liebsten hätt ich den Kerl an der Gurgel gepackt! Immerhin, er sperrte die Tür ab und ging zum dritten Stock hinunter.» Fraser zuckte die Achseln. «Unten liegen eine Menge Aktfotos herum, vielleicht schaut er sich gern die Titten an. Na, so hatte ich freie Bahn. Stellte die Alarmanlage ab, brauchte nur fünf Minuten für das Schloß, ging hinein, fand, was ich brauchte, machte meine Aufnahmen, sah zu, daß ich auf Gummisohlen hinunterkam, drehte den Außenalarm auch noch ab, und weg war ich. Fuhr dann zurück ins Büro, und habe seither nichts als Abzüge gemacht. Lieber Himmel, sogar der zwölfjährige Bankert meiner Schwester hätte das fertiggebracht, und der ist wohl das Blödeste, was mir je untergekommen ist!»
Willie Garvin mußte sich Mühe geben, nicht
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