Modesty Blaise 03: Die Lady reitet der Teufel
bei Interpol zusammen, Willie. Die haben den Gesamtüberblick.»
«Scheiße», sagte Willie ungerührt. «An die vierzig Länder sind in der Interpol, und alle berichten sie, was ihnen wichtig erscheint. Interpol ist ja ganz gut für manche Sachen, aber für diese Geschichte ist sie einfach zu langsam. Ich schätze, die brauchen noch mindestens ein Jahr, bevor die Zusammenarbeit so funktioniert, daß Aussicht auf Erfolg besteht.»
«Und was schlagen Sie vor?»
«Die Regierungen müßten sich zusammentun und eine Zentralstelle einrichten, nur für diese eine Sache.»
Tarrant lachte. «Das dauert dann aber zwei Jahre.»
«Ich weiß.» Willie ließ die Hände sinken und lachte verkniffen. «Und ich bin der letzte, der sich beklagen dürfte. Solange wir beim ‹
Netz
› waren, hat uns die Schwerfälligkeit der Interpol sehr gut gepaßt.» Er kratzte sich die Wange und sah Tarrant fragend an. «Wie konnte man diese Geschichte eigentlich vor der Presse geheimhalten?»
«Konnte man ohnehin nicht ganz – aber darin wenigstens waren sich die Regierungen einig», sagte Tarrant trocken. «Zunächst schien die ganze Sache einfach zu lächerlich. Als dann der Reihe nach die Todesfälle kamen, wurde ein heißes Eisen daraus. Es ist schon so, wie Boulter mir heute morgen gesagt hat: keine Regierung zeigt gern, daß sie nicht die Macht hat, ihre Staatsbürger zu schützen. Und wie wollen Sie etwa einen Mann davor schützen, daß er beim Installieren eines Springbrunnens in seinem Fischbassin in den Stromkreis kommt?»
Modesty kam in Bluse und schwarzen Slacks aus der Kabine. Ihr Haar war in einem festen kleinen Knoten nach hinten frisiert. Sie trug das abgeänderte GunHawk-Pistolenhalfter, das Tarrant schon kannte; das Halfter war jetzt leer.
«Ich hol dir den 32er Colt, Prinzessin», sagte Willie und ging auf die Werkstattür zu.
«Haben Sie nicht eben Boulter erwähnt?» fragte Modesty.
«Ja. Ich war heute morgen bei ihm. Ich muß sagen, er hat meinen Erpressungsversuch mit lobenswertem Humor hingenommen.»
«Ein Realist. Hätten Sie seine Schlamperei mit den Sicherheitsvorkehrungen weiter verfolgt, so wäre er geliefert gewesen. Hat er Ihnen irgend etwas Brauchbares erzählt?» Während Willie mit dem Colt zurückkam und die Patronen in die Kammern schob, sagte Tarrant zu Modesty: «Sie haben vielleicht einen Riecher! Erinnern Sie sich: Sie sagten, irgend jemand müsse doch die Leute für die Liquidierungen anheuern, und der Betreffende müsse sich eines Verbindungsmannes bedienen, um anonym zu bleiben. Und Sie sagten auch, daß gerade dabei ein Fehler passieren könnte.»
«Na und?»
«Boulter hat mir da einen Namen genannt. Den Namen eines Mannes, der in Griechenland eine Bande geführt hat. Es heißt, daß man wegen so einer Liquidierung an ihn herangetreten ist, aber er schlug das Geschäft aus. Angeblich soll der den Mann kennen, der hinter dem Verbindungsmann steht. Da haben Sie Ihren Fehler.»
«Hat er gesungen?»
«Nein. Leider hat ihn ein Mitglied seiner eigenen Bande verpfiffen, sein Stellvertreter, der die Liquidierung gern ausgeführt hätte.»
«Und wie wurde er verpfiffen?»
«Er fuhr unter falschem Namen nach Jugoslawien, um die Geliebte eines gestürzten Politikers zu holen, der sich vor dem Zugriff der Geheimpolizei eben noch ins Ausland hatte retten können. Der Politiker war bereit, eine hübsche Summe zu zahlen, wenn man die Frau, die drüben versteckt lebte, heil über die Grenze brächte.»
«Aber Krolli ist aufgeflogen», sagte Modesty. «Sie haben schon auf ihn gewartet.»
Tarrant starrte sie an: «Wieso wissen Sie, daß er Krolli geheißen hat?»
«Er war bei mir im ‹Netz›. Sehr guter Mann. Ich habe ihm dieses Gebiet überlassen, als ich die Organisation auflöste.» Sie schaute zu Willie hinüber. «Es fängt an zusammenzupassen. Solche Morde wäre nichts für Krolli.»
«Da hast du recht. Haben ihn die Jugoslawen um einen Kopf kürzer gemacht, Sir G.?»
«Nein, sie waren geschickter. Er wurde wegen versuchten politischen Verbrechens und Hilfeleistung für einen Staatsfeind zu zehn Jahren Arbeitsbrigade verurteilt.»
«Zehn Jahre!» Willie sah Modesty an.
Die wandte sich an Tarrant: «Jugoslawien gehört doch zur Interpol. Warum wurde der Mann nicht verhört?».
«Er wurde. Aber er hat nichts verraten. Sie hätten ihn zweifellos zum Reden bringen können, aber sie waren nicht sonderlich interessiert. Zufällig stand kein Jugoslawe auf der Todesliste. Und die Interpol-Leute
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