Modesty Blaise 03: Die Lady reitet der Teufel
wissen wirst.»
«Ist schon gut, Prinzessin. Aber ich bin sicher, daß ich’s herauskriegen kann; wenn ich die einzelnen Stücke nur richtig zusammensetzen könnte – und wüßte,
welche
Stücke …»
«Hör auf, darüber nachzudenken. Nach einer Stunde Entspannungstraining in der ‹Tretmühle› sieht alles anders aus. Dann essen wir eine Kleinigkeit und fahren am Nachmittag zu Tarrant ins Büro. Ich möchte hören, ob er irgend etwas Brauchbares von Boulter herausgekriegt hat.»
«In Ordnung.» Willie lehnte sich zurück. «Kannst du beim Fahren die Partie weiterspielen, die wir auf unserem Rückflug von Paris begonnen haben?»
«Wenn wir beides nicht zu ernst nehmen.» Sie fuhr rein automatisch, während sie im Geist das Schachbrett vor sich hatte. Jeder hatte acht Züge getan. Sie hatte Weiß gehabt und war am Zug gewesen.
«Läufer nimmt Läufer, das war mein letzter Zug», sagte Willie.
«Ja, ich weiß.» Früher hatte sie sich kaum vier Züge merken können. Jetzt konnte sie für gewöhnlich schon das ganze Spiel im Kopf zu Ende führen. So sagte sie nach einer Pause des Überlegens: «Dame schlägt Läufer.»
Es war Mittag, als der Sabre Six in den Vorplatz zu Willies Flußrestaurant einfuhr. Sie stiegen aus und gingen um die eine Seite von
The Treadmill
herum zu dem hinten liegenden Grundstück, wo sich ein langes, fensterloses Ziegelgebäude neben einer baumumfriedeten Einfahrt erstreckte.
Jemand kam das Ufer entlanggeschlendert. Es war Tarrant. Grüßend schwenkte er den eingerollten Schirm und trat auf die beiden zu. «Ich bin euch entgegengefahren», sagte er und ergriff Modestys Hand. «Haben Sie Erfolg gehabt?»
«Wir sind noch nicht sicher, Sir G.», sagte sie. «Willie hat eine Idee, aber er kann sie nicht fixieren.»
Willie schloß die äußeren Flügel der Doppeltür auf, welche den Einlaß in das lange, schalldichte Gebäude bildete.
Tarrant fragte beklommen: «Sie wollen doch nicht am Ende trainieren, Modesty?»
«Nicht so, wie Sie meinen.» Sie lächelte. «Nur ein bißchen üben, zur Auflockerung.»
Tarrant nickte erleichtert. Üben – das hieß Schießen mit Handfeuerwaffen, Messerwerfen und Bogenschießen über die ganze Länge der Trainingshalle; hinterher etwas Gymnastik und Abwehrgriffe. Aber manchmal, gegen Ende des Trainings, kämpften die beiden ernstlich miteinander. Tarrant hatte das einmal mitangesehen, und Modesty war dabei k. o. geschlagen worden.
Er wußte, daß ebenso leicht auch Willie der Verlierer sein konnte, aber er mochte dem nicht beiwohnen.
Diese Kampfszenen nahmen seine Nerven zu sehr in Anspruch.
Er folgte den beiden durch den kleinen Vorraum und die zweite Tür. Willie schloß von innen ab und knipste die Neonbeleuchtung an. Der Kampfplatz lag in der Mitte der Halle. Die Schießstände waren an den Seiten untergebracht. An der einen Längswand hing ein Sortiment moderner Handfeuerwaffen und eine Sammlung von Hieb- und Stichwaffen aus allen Ländern und Zeiten.
Die sandsackgeschützte Wand hinter dem Scheibenstand am unteren Ende wurde von einer Tür durchbrochen, welche in Willie Garvins gutausgestattete Werkstatt führte.
Modesty schritt zu einer Dusch- und Umkleidekabine in der Ecke: «Du könntest Sir Gerald berichten, während ich mich umziehe, Willie.»
«Okay, Prinzessin. Leider hab ich nichts zu berichten.» Willie Garvin musterte das Waffensortiment und langte sich ein Messer mit langer Klinge und lederbezogenem Horngriff herunter. «Mit so einem Ding haben sie Vaubois abstechen wollen», sagte er grimmig.
«Kajun-Messer nennt man das. Ist mir in Europa kaum untergekommen; aber das war ja auch eine neue Bande.» Sein Arm zuckte vorwärts, das Messer sauste durch die Luft und blieb zitternd mitten in einem der Pappkameraden des Scheibenstandes stecken.
«Sagt Ihnen das irgend etwas?» fragte Tarrant hoffnungsvoll.
«Weiß nicht. Das ist ja das Elend bei dieser ganzen Geschichte. Wir wissen viel zuwenig, dabei muß es eine Menge Material geben.»
«Wie meinen Sie das?»
Ärgerlich stieß Willie die Luft aus. «Nicht nur Boulter hat so einen Container, sondern wahrscheinlich auch ein Dutzend anderer Leute in anderen Ländern.
Und mit den Informationen ist es dasselbe. Jeder weiß ein Stück, und keiner weiß das Ganze. Wer bezahlt die Burschen? Wer hat vorige Woche oder vorigen Monat den kleinen panamaischen Frachter gechartert, von dem aus das Zeug in der Nordsee oder was weiß ich wo über Bord gegangen ist?»
«Das alles läuft
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