Modesty Blaise 03: Die Lady reitet der Teufel
wenn die ausläßt, legt Seff dich um.»
«Distanzieren?» Er lachte kurz und trocken. «Wie, zum Teufel bringst du das fertig?»
Sie blieb stehen und wandte sich ihm zu. «Es kommt darauf an es zu versuchen, Steve. Du mußt die Phantasie abschalten und den Willen stärken.»
«Das sagt sich leicht.»
«Hab doch nicht so entsetzlich Mitleid mit dir. Oder mit uns. Und streit dich nicht mit mir herum. Du fühlst dich elend, weil du mir etwas beibringen sollst, was dir nicht paßt. Aber laß das für später und hör jetzt zu, was
ich dir
zu sagen habe.»
«Na gut.» Er strich sich übers Gesicht, erleichtert über den sinnlosen Aufschub und zugleich ärgerlich über diese törichte Erleichterung. «Und wie schaltest du die Phantasie ab und stärkst den Willen?»
«Ganz einfach –» Und sie machte eine Geste, als verstünde sich das von selbst. «Jedesmal, wenn du dich bei dem Gedanken an Seff und die andern ertappst und dir vorstellst, was sie uns antun könnten, schaltest du ab und gleichzeitig
um
auf das, was
wir ihnen
antun könnten.»
«
Wir
?» Er starrte sie ungläubig an. «Ja was denn, zum Beispiel?»
«Zum Beispiel, wie wir es fertigbringen könnten, eine halbe Stunde unbeobachtet beisammen zu sein. Ich möchte dir nämlich diese Giftkapsel aus dem Rücken entfernen, und du sollst dasselbe bei mir tun – falls ich dich nicht schon vorher damit umgebracht hab. Ich hab eine Rasierklinge.»
Collier blieb der Mund offen. «Eine Rasierklinge!», sagte er schließlich erschrocken. «Das ist ja eine reizende Idee. Erst erzählst du mir, ich soll die Phantasie abschalten, und dann kommst du mit der Rasierklingen-Geschichte, über die ich nachdenken soll. Ich werd heute nacht wie ein satter Säugling schlafen.»
Das Weiß ihrer Zähne leuchtete im Zwielicht.
«Klingt schon besser. Der erste Witz, den du machst, seit wir hier sind.» Erstaunt mußte Collier feststellen, daß er sich mit einemmal wirklich wohler fühlte. Die Zwerchfellspannung hatte nachgelassen, ebenso der anhaltende Muskelschmerz. «Die Situation ist ja auch nicht gerade witzig», sagte er.
«Laß doch die Situation. Oder besser gesagt: Je mehr es dir gelingt, du selbst zu bleiben, desto weniger kann die Situation dir anhaben.»
«Oh, ich bin durchaus ich selbst: ich hab Angst, und ich will nach Hause.»
«Mir geht’s nicht anders. Stehst du dauernd unter Bewachung?»
«Nicht dauernd. Ich meine, es sitzt mir nicht dauernd jemand im Genick. Aber fast immer ist jemand in Sichtweite. Ausgenommen nachts. Aber dann ist meine Tür von außen verriegelt, und ein Moro schläft davor auf dem Gang. Und das Fenster ist vergittert.»
«Genau wie bei mir. Aber irgendwann finden wir schon einen Ausweg. Bei Nacht, meine ich. Laß dir das durch den Kopf gehen.»
«Dazu bin ich zwar nicht der Richtige, aber ich will es versuchen. Und was geschieht nach unserem Zusammensein, sobald wir diesen Rasierklingen-Job erledigt haben?»
«Auch das laß dir durch den Kopf gehen. Denk jedesmal darüber nach, sobald du schwarzzusehen beginnst. Je öfter du es versuchst, desto leichter wird es dir fallen. Du kannst auch über deine Experimente mit Luzifer nachdenken. Sie sind wichtig, wenn du überleben willst.»
Der Name Luzifer rief Colliers verschwommene Gedanken blitzartig zurück zu seiner Aufgabe. Doch Modesty redete weiter.
«Wir haben zwei Chancen, Steve. Erstens: wir machen selbst einen Ausbruchsversuch. Zweitens: Willie Garvin kommt uns zu Hilfe.»
«Willie?» Es fiel Collier sichtlich schwer, beiden Gedanken auf einmal zu folgen.
«Ja. Willie hat unsere Gefangennahme beobachtet.
Er wird nicht untätig geblieben sein.»
«Aber wie, um Himmels willen, soll er uns denn hier finden, Modesty? Es besteht doch nicht die geringste Chance.»
«Genau das glauben auch Seff und die andern. In Willie haben sich schon viele Leute geirrt und teuer dafür bezahlt. Sie halten ihn für erledigt, wenn ich nicht da bin und das Denken besorge. Aber das stimmt nicht. Wenn Willie Garvin in den Ring steigt, dann können Leute wie Seff nicht rasch genug abducken.»
Langsam setzte Modesty ihren Weg wieder fort, und Collier schritt neben ihr. Es begann ihm zu dämmern, auf welche Weise sie es fertigbrachte, von der Hoffnungslosigkeit ihrer Lage nicht sonderlich berührt zu sein. Für sie war es nicht hoffnungslos. Ihr ganzes Denken war so sehr auf Sieg eingestellt, daß Angst und Verzweiflung gar nicht erst aufkommen konnten.
Eine gute Methode, dachte er, aber man
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