Modesty Blaise 03: Die Lady reitet der Teufel
Strom von einem Generator erzeugt, der an der Südseite des Berges installiert war und von dem dort herunterströmenden reißenden Wasser angetrieben wurde. Der gleiche Bach speiste auch den großen Wassertank auf dem Dach.
Jack Wish war ins Haus gegangen und hatte die schwere Tür offengelassen. An der Wand lehnte ein Moro-Posten, das Garand-Gewehr umgehängt. Von der langgestreckten Terrasse blickte eine magere schwarze Gestalt herab.
Seff hatte die beiden nicht aus den Augen und seine Hand nicht von dem kleinen Taschensender gelassen.
Sie traten ins Haus.
«Was Luzifer betrifft», sagte Modesty sehr ruhig, «soll das schon heute nacht steigen?»
«Ja.» Und Collier schaltete die Phantasie ab und dachte an die Eisenstäbe vor seinem Fenster. Sie waren nur zwei Zentimeter dick. Wie tief waren sie einbetoniert? Vielleicht, wenn er sich ein Werkzeug beschaffen könnte … «Ja», wiederholte er geistesabwesend, «heute nacht.»
15
«Sie werden sich völlig aufs Improvisieren verlassen müssen», sagte Bowker. Er war nun sichtlich nervös geworden. «Ich kann nicht voraussagen, wie er auf spezielle Annäherungsversuche reagieren wird. Aber, um Gottes willen, machen Sie es nicht zu direkt.»
«Schläft er jetzt?» fragte Modesty kurz.
«Vielleicht.» Bowker blieb vor Luzifers Zimmertür stehen und klopfte leise. Es kam keine Antwort. «Sieht ganz danach aus.» Er beugte sich nieder, um einen der zwei gutgeölten Türriegel zurückzuschieben.
«Sie sperren ihn ein?»
«Ja. Er ist von der Anstalt her daran gewöhnt. Er glaubt, daß seine Macht die Tür verschließt.»
«Und wenn er das Zimmer verlassen will?»
«Das tut er nicht. Und falls er es versuchte und die Tür verschlossen fände, würde er sich einreden, daß er ja nur probieren wollte, ob sie auch wirklich zu sei. Er paßt alles in sein Wahnsystem ein.» Bowker öffnete nun auch den oberen Riegel. «Soll ich für ein paar Minuten mit hineinkommen, um ihn zu beruhigen?»
«Nein.»
Bowker zuckte die Schultern und öffnete leise die Tür. Modesty trat ein und erblickte das große Doppelbett sowie das Sammelsurium überladener Möbel in dem geräumigen Zimmer. Eine schwache Bettlampe mit rotem Schirm verbreitete ein trübes Licht. Auf der gegenüberliegenden Seite führte eine zweite Tür zum Bad und zur Toilette. Luzifer lag auf dem Bett und hatte die Decke über das Fußende zurückgeschlagen.
Er trug schwarze Shorts, lag auf dem Rücken und schlief.
Die Tür wurde leise geschlossen. Modesty wartete eine Weile und versuchte dann vorsichtig, wieder zu öffnen. Aber es ging nicht. Bowker hatte die Riegel vorgeschoben. Modesty hatte das zwar erwartet, war aber dennoch enttäuscht, recht behalten zu haben. Irgendwie hatte sie bis jetzt doch die Hoffnung gehegt, das Zimmer verlassen zu können, heute oder in einer der nächsten Nächte, um in Steve Colliers Zimmer das vorzunehmen, was er den Rasierklingen-Job genannt hatte.
Sie streifte ihre Sandalen ab. Der gelbseidene Cheongsam raschelte, als sie auf das Bett zutrat. Sie erschrak beinahe, als sie auf den herrlichen goldbraunen Körper und das jugendliche Gesicht unter dem kurzen schwarzen Haar niederblickte. Der Körper war gespannt. Noch im Schlaf arbeiteten die Arm- und Schultermuskeln. Das Gesicht hatte einen merkwürdig edlen Ausdruck von Schmerz und Kummer. Im Niederbeugen bemerkte sie, daß die Wangen unter den geschlossenen Lidern feucht waren.
Tief in den Unteren Regionen der Hölle sauste Luzifer durch die kochenden Tiefen, wo die Seelen der Verdammten im Feuer schmorten. Durch all die Äonen hatte er zumeist freudig die Last getragen, die ihm zur Strafe dafür auferlegt worden war, daß er die Engel zur Rebellion angestiftet hatte. Manches Mal aber dünkte es ihn nahezu unerträglich, manches Mal vermeinte er, das Mitleid mit den schmerzgepeinigten Geschöpfen, die er in alle Ewigkeit zu foltern hatte, nicht länger unterdrücken zu können. Ihre Pein wurde zu seiner eigenen. Und Luzifer, der Fürst der Finsternis, weinte über sie.
Irgend etwas zog ihn jetzt hinan, hinweg von der kochenden Finsternis und den roten Feuersgluten. Er kehrte zurück in die Oberen Regionen seines Reiches und fand seine Hand in einer anderen.
Luzifer tat sein jettschwarzes Fleisch und seine Stoßzähne ab und nahm wieder irdische Gestalt an. Er schlug die Augen auf.
Modesty Blaise saß auf der Bettkante, hielt seine Hand fest in der ihren und blickte auf ihn nieder. Einen Augenblick lang fühlte er, was bei
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