Modesty Blaise 03: Die Lady reitet der Teufel
durchschritten und stand nun bis zum Gürtel im ruhigen Wasser. Langsam begann sie in Richtung des Floßes zu schwimmen.
Luzifer überholte sie; er war ein kraftvoller Schwimmer. Im Wenden tauchte er, und gleich darauf fühlte sie, wie seine Hand sie am Fußknöchel hinunterzog. Sie ließ sich sinken, umfing seinen Kopf, zwang ihm das Kinn zurück und machte sich frei. Gleichzeitig tauchten sie auf, und Luzifer lachte.
Sie wußte jetzt, daß er ihre sexuelle Ausstrahlung spürte, auch wenn er es noch nicht erkannt hatte. Das konnte auf lange Sicht gefährlich werden, da es Seff zum Handeln zwingen würde, sobald er bemerkte, daß ihr Einfluß auf Luzifer zu stark wurde. Aber zunächst war es gut, denn nur Luzifer stand zwischen ihr und den «Unteren Regionen».
Sie spritzte ihm Wasser ins Gesicht, wandte sich dann und schwamm auf das Floß zu. Dort angelangt, setzte sie sich auf den Rand und wand das Wasser aus ihren Haaren. Und schon war auch Luzifer herangekommen und setzte sich neben sie.
«Ich hab die Sonne gern», sagte er voll Befriedigung.
«Und das Schwimmen.»
«Ja, es ist gut.» Sie blickte über die Bucht. «Und all das wird mir fehlen, wenn Seff mich in die Unteren Regionen schickt.»
Luzifer hob den Kopf, und es ging wie ein Schatten über seine Stirn. «Das hat nicht er zu entscheiden, Modesty.»
«Trotzdem möchte er es.»
Luzifer lächelte. «Das kommt nur daher, da seine Macht begrenzt ist und er nicht sehen kann, was ich sehe. Er traut dir nicht. Er glaubt, daß du dich noch immer gegen mich auflehnst.»
«Und du glaubst das auch?»
«Ich weiß, daß du es nicht tust», sagte er im Brustton der Überzeugung.
«Ich bin froh, daß du das weißt. Und ich bin froh, daß du deinem neuen Diener Collier noch einmal eine Chance gegeben hast. Arbeitet er jetzt zu deiner Zufriedenheit?»
«Ja.» Und nach kurzem Nachdenken fügte Luzifer hinzu: «Aber er ist schwer von Begriff. Ich habe mir den ganzen Nachmittag mit ihm Mühe gegeben, aber er fragt in einem fort dasselbe.»
In einem ebenerdig und nach vorne hinaus gelegenen Zimmer des Gebäudes schloß Bowker die Lade eine Aktenschranks und griff nach einer Zigarette, ohne jedoch Collier eine anzubieten, der blaß und erschöpft dasaß, die Ellbogen auf die Knie stützte und die Hände schlaff herabhängen ließ.
Soeben waren Seff und Regina eingetreten. Regina ging, leicht humpelnd wie gewöhnlich, auf die Couch zu, setzte sich, schlüpfte aus ihren Schuhen und begann sich die Stirn mit einem Mentholstift zu betupfen.
«Sind die Resultate zufriedenstellend, Dr. Bowker?», fragte Seff.
Bowker wies mit einer Kopfbewegung auf Collier.
«Er ist der Fachmann.»
Mit knirschenden Halswirbeln wandte Seff den Kopf. «Nun Mr. Collier?»
Verdrossen und angewidert blickte Collier ihn an.
«Luzifers extrasensorische Fähigkeiten übersteigen alles, was ich jemals bei irgendeiner Versuchsperson beobachten konnte. Aber von Ihrem Standpunkt betrachtet sind seine Resultate schlecht.»
«Bitte, erklären Sie mir diesen Widerspruch.»
Collier blickte durchs Fenster. «Die meisten mit EsW begabten Menschen entwickeln nur begrenzte Fähigkeiten auf diesem Gebiet. Begrenzt für den Laien, natürlich. So begrenzt, daß ihre Resultate nur statistisch nachgewiesen werden können. Wenn Sie eine Münze tausendmal werfen und Ihre Versuchsperson das Ergebnis jedesmal vorhersagen lassen, dann sind richtige Vorhersagen, die um 20 Prozent über dem Zufallsresultat liegen, für unsereinen aufregend gut.» Er schwieg, blickte Regina an und fragte sich beiläufig, ob er dieses Weib noch mehr verabscheute als Seff. Nach dem widerlichen Marionettenspiel von gestern abend hielt er das für wahrscheinlich. «Aber Sie wollen ja etwas anderes», fuhr er fort. «Sie verlangen von Luzifer, den Tod auf psychometrischem Weg mit neunzigprozentiger Sicherheit vorauszusagen. Wir haben heute nachmittag 1000 Kuverts vorgenommen, aus denen er dreizehn gezogen hat. Dann legten wir ihm dieselben 1000 zum zweitenmal vor, und er hat fünfzehn gezogen. Unter diesen fünfzehn befanden sich sieben von der ersten Wahl.»
«Und was folgern Sie daraus, Mr. Collier?»
«Ich habe das noch nicht statistisch durchgerechnet und kann es auch nicht, ehe wir ermittelt haben, wieviel Prozent seiner Vorhersagen zutreffen. Bowkers Aufzeichnungen über die früheren Resultate bieten nicht die besten Unterlagen für eine mathematische Analyse, aber im großen und ganzen habe ich den Eindruck, daß
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