Modesty Blaise 05: Die Goldfalle
kaltzustellen, müssen sie an uns rankommen. Und um an uns ranzukommen, wenn wir im Haus bleiben, müssen sie die Alarmanlagen ausschalten. Die Alarmanlagen können aber nicht unterbrochen oder gestört werden. Sie können nur umgangen werden, und zwar mit unserem Einverständnis; deshalb wird es ihre Taktik sein, uns durch einen Trick zu veranlassen, sie hereinzulassen. Wir müssen uns jeden genau ansehen, der ins Haus will – den Briefträger, den Mann von der Störstelle, den Gasmann, den Mann, der von den Stadtwerken kommt, um etwas zu reparieren. Wenn wir absolut jeden verdächtigen, der ins Haus möchte, unter welchem Vorwand auch immer, kann uns praktisch kaum etwas passieren.»
Brunel dachte ein paar Minuten nach. Schließlich sagte er: «Also gut, Adrian. Die nächsten Tage herrscht hier Belagerungszustand. Kümmert euch selbst um alles und überprüft jede Einzelheit. Ich möchte, daß ab sofort ständig einer von euch hier in diesem Arbeitszimmer ist. Mit einem Revolver.» Er sah Chance an. «Ich sagte, mit einem Revolver. Du kannst dein Messer nehmen, sobald sie alle in unserer Hand sind.» Er drückte seine Zigarette aus und stand auf – eine kleine Gestalt hinter dem Schreibtisch. «Du schiebst hier Wache bis um drei Uhr nachmittags, Jacko. Dann löst Adrian dich ab. Ich weiß, daß heute nacht wahrscheinlich noch nichts passiert. Deshalb passen wir von jetzt an auf. Es heißt, Modesty Blaise liebe Überraschungen.»
Er zog eine Augenbraue hoch. «Das könnt ihr doch beide bestätigen, oder?»
Adrian Chances Lächeln war hart und strahlend.
«Wir wußten damals nicht, wer sie war.»
«Ich muß mich fragen, ob das den geringsten Unterschied gemacht hätte», sagte Brunel und betrachtete die glänzenden Schweißtröpfchen, die seine Worte auf Chances Stirn trieben. Jacko warf sich mürrisch auf die Couch, holte einen Revolver unter dem Arm hervor und prüfte ihn. Als Brunel an der Tür war, fragte Chance höflich und mit etwas lauter Stimme: «Brauchst du Lisa heute nacht?»
«Nein.» Brunel zögerte nachdenklich. «Du kannst sie haben, Adrian, aber vergiß dich nicht. Ich brauche sie vielleicht bald für einen Spezialauftrag, und deshalb darf sie keine Male haben. Verstanden?»
Chance schien überrascht. «Einen Spezialauftrag?»
«Wenn Blaise und Garvin nicht kommen, setze ich sie vielleicht auf Garvin an.»
«Aber warum?»
Brunel sagte geduldig: «Die Singapur-Papiere sind nicht mein einziges Projekt, Adrian.»
«Pennyfeather?»
«Ja. Er steht jetzt mit Blaise und Garvin in Verbindung, deshalb müssen wir vorsichtig vorgehen. Aber ich glaube trotzdem, daß er etwas weiß, und er ist unsere einzige Chance, das Nowikow-Projekt wieder in Gang zu bringen.»
Chance nickte, schien aber nicht begeistert. Brunel sagte: «Mach dir nichts daraus, Adrian. Wenn du in den nächsten Tagen noch keine Gelegenheit bekommst, dein Messer an Blaise auszuprobieren, können wir das sicher für später arrangieren.»
Lisa lag auf dem Bauch in ihrem Bett und las ein Buch.
Als die Tür aufging und sie sah, daß es Adrian Chance war, wehrte sie sich gegen die unwillkürlichen Zuckungen in ihrer Magengrube, beschämt über die Abneigung und die Angst, die sein Anblick ihr verursachte, beschämt über ihre Hoffnung, daß er ihr diesmal nicht so sehr weh tun würde.
Seit dem letztenmal war ein Monat vergangen, und sie hatte nicht erwartet, daß Brunel ihn schon so bald wieder zu ihr lassen würde. Um ihm zu gefallen, mußte sie sich anders verhalten als vorhin bei Brunel. Bei Adrian mußte sie sich wehren, erst schwach und dann stärker, und Angst zeigen. Wenn er sie dafür bestraft hatte, würde das Schlimmste vorüber sein. Dann würde sie nichts mehr zu tun brauchen als schlaff und unterwürfig sein, wie eine Gliederpuppe, während er sich auf verschiedene Arten ihres Körpers bediente. Schuldbewußt dachte sie, wie ungebührlich es war, daß sie seine Bestrafung als «das Schlimmste» ansah. Die Stimmen wollten immer, daß sie Brunel zu Gefallen war und, wenn er es sagte, auch Adrian Chance. Adrian wäre nicht zu ihr gekommen, wenn Brunel es nicht erlaubt hätte. Alles, was er tat, geschah deshalb nach dem Willen der Stimmen, und es war falsch und ungehörig, solche Gedanken zu haben.
Adrian kam auf sie zu. Er stellte sich neben ihr Bett und schaute mit seinem strahlenden Lächeln auf sie herab. Er nahm das Buch von ihrem Kopfkissen und warf es hinter sich, dann zog er die Bettdecke weg. Sie trug jetzt ein
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