Modesty Blaise 05: Die Goldfalle
miteinander gewechselt hatten, gingen sie langsam weiter und blieben dann wieder stehen. Der Mann trat von einem Fuß auf den andern und rieb sich den Nacken.
Der nervöse Typ, dachte Fraser. Weiß nicht, wieviel sie verlangen wird. Braucht Ermunterung. Sie schwenkte ihre Handtasche und warf kokett den Kopf nach hinten, um ihn herumzukriegen. Das Geschäft ging offensichtlich schlecht, stellte Fraser fest. Immer mit der Ruhe, Irma, du darfst ihn nicht abschrecken, er kennt sich noch nicht aus. Mach ihm weis, daß du ein nettes, warmherziges Mädchen bist und ihn wirklich toll findest. Erst sagst du nichts vom Geld, und nachher wirst du böse, dann kannst du ihm alles abnehmen außer dem Fahrgeld für den Bus.
Sie hängte sich bei dem Mann ein, und sie gingen langsam weiter und unterhielten sich dabei. Sie alberte jetzt herum, während der Mann noch immer ein bißchen zögerte. Gegenüber von Brunels Haus war der Gehsteig etwas verbreitert worden, um Platz für eine Telefonzelle und einen Briefkasten zu schaffen. Sie steuerte mit ihm auf diesen dunklen Fleck zu. Fraser beugte sich ein wenig vor, um besser sehen zu können.
In der Telefonzelle war kein Licht. Wahrscheinlich auch kein Telefon, dachte er. Dafür würden schon irgendwelche Halbstarke, die ihren Spaß haben wollten, gesorgt haben. Diese Saukerle.
Die Dirne und der Mann verschwanden im Schatten neben der Telefonzelle. So ist’s recht, Herzchen, dachte Fraser beifällig. Zeig ihm, was du kannst. Wenn du ihn nicht innerhalb von fünf Minuten so hochbringst, daß er seine Geldsorgen vergißt, dann hast du deinen Beruf verfehlt. Er schaute die nach Westen führende Straße hinauf und fragte sich, ob wohl Modesty in einem der am Ende der Straße geparkten Wagen saß. Sie hatte gesagt, sie würde sich das Erdgeschoß ansehen und Fotos machen, aber aus dieser Entfernung und diesem Blickwinkel würde ihre Kamera nicht allzu viele Einzelheiten registrieren. Fraser begann sich deprimiert zu fühlen.
Im Schatten neben der Telefonzelle schaute Modesty, in enger Umarmung und Wange an Wange mit Willie Garvin, über seine Schulter zu Brunels Haus auf der anderen Straßenseite hinüber. Willie hatte den Koffer vorsichtig abgestellt. Er enthielt einen von einer starken Batterie gespeisten Scheinwerfer. Über dem Reflektor befand sich ein Filter, das alles sichtbare Licht zurückhielt und infrarotes durchließ. Der Scheinwerfer war jetzt eingeschaltet und tauchte das Portal von Brunels Haus in infrarotes Licht.
Sie griff unter Willies langen Regenmantel und holte die Kamera hervor, eine Asahi-Pentax-Kleinbildkamera mit einem Einstellpunkt für Aufnahmen mit Infrarotfilm. Sie legte den Arm um seinen Hals, so daß sie die Kamera dicht hinter seiner rechten Schulter mit beiden Händen halten konnte, und sagte:
«Heb mich ein Stückchen hoch, Willie.» Seine Armmuskeln strafften sich, und er hob sie hoch. Sie spähte über seine Schulter, stellte das Teleobjektiv ein und machte vier Aufnahmen von dem überdachten Portal.
«Jetzt laß mich einen Moment runter.»
Sie schob den Koffer mit dem Fuß ein Stück weiter, so daß der unsichtbare Lichtkegel das Fenster im Erdgeschoß traf.
«Noch mal, Willie.» Sie machte sechs Aufnahmen von dem großen Fenster. «Geschafft», sagte sie dann.
Er ließ sie herunter. «Hast du alles, was du brauchst, Prinzessin?»
«Ich glaube, ja. Aber wir bleiben noch ein paar Minuten im Clinch, um den Schein zu wahren.»
«In Ordnung.» Sie spürte den Hauch seines lautlosen Kicherns an ihrer Wange, während sie entspannt beieinander standen. «Ein bißchen arg, was wir hier treiben, nicht?»
Auf dem Dach des Wohnblocks schaute Fraser wieder zu den geparkten Autos hinüber und fragte sich, was Modesty Blaise und Willie Garvin erreicht hatten. Auf seiner Uhr war es halb eins. Um eins wollten sie sich in Modestys Penthouse treffen. Er zuckte mit den Achseln, warf einen letzten Blick auf den Platz unten und ging zu der überdachten Einstiegsluke der Treppe hinüber.
Als die Bilder trocken waren, nahm Willie Garvin sie von der Leine. Gefolgt von Fraser verließ er die Dunkelkammer und ging durch Modestys Steinschleiferwerkstatt in den großen Wohnraum.
Fraser war schlechter Laune, und dagegen half auch das Glas mit ausgezeichnetem Cognac nichts, das er in der Hand hielt. Zum ersten war er müde, zum zweiten mit sich selbst unzufrieden. Auf dem Welbury Square hatte er nach einem Mann und einer Frau Ausschau gehalten und hatte die beiden
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