Modesty Blaise 05: Die Goldfalle
Zimmer verlassen hatte. Er begab sich in das Arbeitszimmer im ersten Stock hinunter und zog einen Vorhang zur Seite. Der Wagen, der unten stand, war der von Adrian Chance. Brunel ließ den Vorhang fallen, machte Licht an und schaltete ein kleines, tragbares Fernsehgerät ein, das auf seinem Schreibtisch stand. Auf dem Schirm erschienen die Veranda und die Oberkörper der beiden dort wartenden Männer, Jacko und Chance. Sie warteten schon seit zwei Minuten, zeigten aber keine Ungeduld. Beide fingerten mit der linken Hand an ihren Krawattenknoten herum, zum Zeichen, daß sie nicht von einem unsichtbaren Dritten mit einer Waffe bedroht wurden.
Brunel drückte einen von einer Reihe von Knöpfen, um die Alarmklingel der Haustür für zehn Sekunden auszuschalten, und dann einen weiteren Knopf, worauf die drei Riegel an der Tür aufschnappten. Der Strom für die Alarmanlage und die Türriegel stammte nicht aus dem öffentlichen Netz, sondern aus einer Reihe von Batterien. Er beobachtete, wie die beiden Männer eintraten und die Tür sich hinter ihnen schloß, schaltete das Fernsehgerät aus und setzte sich. Dreißig Sekunden später klopfte es, und Adrian Chance kam herein, gefolgt von Jacko.
«Nun?» fragte Brunel.
«Wir haben gewartet, bis sie gingen und sind ihnen gefolgt.» Chance setzte sich auf eine Couch an der Wand und strich sich sein silbernes Haar glatt. «Sie fuhren zu einem Block oberhalb vom Hyde Park. Sie hat dort ein Penthouse. Fraser nahm ein Taxi und fuhr wahrscheinlich nach Hause. Blaise und Garvin gingen hinein. Nach einer Weile ging in dem Penthouse das Licht an. Wir warteten eine halbe Stunde und fuhren dann hierher. Ich nehme an, Garvin bleibt über Nacht bei ihr.» Sein ruhiges Gesicht zuckte einen Moment. «Wahrscheinlich können Sie sich denken, welche Gefühle Jacko und ich für sie haben.»
«Und Pennyfeather?»
«Den haben wir nicht gesehen.»
Brunel trommelte geistesabwesend mit den Fingern auf den Schreibtisch. «Es kann kein Zufall sein. Ihr habt Pennyfeather aus
The Legend
kommen sehen, und an dem Tisch hatte noch ein vierter Gast gesessen. Pennyfeather muß bei ihr gewesen sein.»
Jacko ging im Zimmer auf und ab, ruhelos, schweigsam; seine kräftigen Muskeln spielten unter seinem knappsitzenden Anzug. Chance zuckte mit den Achseln und sagte: «Das mag sein, aber ich glaube nicht, daß er irgendwas mit der Nowikow-Geschichte zu tun hat.»
Er hielt nachdenklich inne und tupfte sich dann mit einem Taschentuch die Stirn ab. «Als sie uns gefesselt im Wagen liegen hatte, stellte sie keine Fragen, durchsuchte uns nicht, wollte nicht wissen, warum wir uns für Pennyfeather interessierten. Wahrscheinlich hat sie ihn nach England mitgebracht, aber ich glaube nicht, daß das etwas zu bedeuten hat. Es kommt vielmehr darauf an, daß wir heute Fraser im Gespräch mit Blaise und Garvin gesehen haben.»
«Du glaubst, er will sie auf die Singapur-Papiere ansetzen?»
«Ich glaube, daß Fraser im Augenblick an nichts anderes denkt, und ich weiß, daß er ein verdammt zäher kleiner Bursche ist.»
«Und warum sollten sie darauf eingehen?»
«Dafür habe ich auch keine Erklärung. Ich ahne, daß sie es tun werden, aber ich weiß nicht, warum. Es heißt, sie hätten schon früher Tarrant ab und zu eine kleine Gefälligkeit erwiesen. Geld scheidet aus. Die Briten zahlen miserabel. Und sie können es auch nicht einfach deshalb tun, weil sie ihn gut leiden können, das wäre absurd.»
«Für uns vielleicht. Aber es gibt Menschen, die aus unglaublichen Motiven heraus handeln.» Brunel steckte sich eine Zigarette an. «Wie auch immer, ich teile deine Vermutung, daß sie versuchen könnten, die Papiere in die Hand zu bekommen.»
Jacko betrachtete den großen Tresor, der, halb in das Mauerwerk eingelassen, an einer Wand des Arbeitszimmers stand. Er sagte mit harter, kehliger Stimme:
«Hast du vor, das Zeug woanders hinzubringen? In eine Bank?»
«Was Dümmeres könnte ich mir gar nicht vorstellen», meinte Brunel nachdenklich. «Ich bezweifle sehr, daß ein Banksafe gegen die Machtmittel gefeit wäre, die Tarrants Leute anwenden könnten, wenn sie es für nötig hielten. Ich bezweifle, daß es überhaupt irgendwo etwas Sichereres gibt als den Tresor in diesem Haus.» Er sah Chance an. «Wie ich die kenne, werden sie etwas ganz besonders Subtiles aushecken.»
«Es wird nicht leicht sein. Sie müssen zwölf Stunden hintereinander im Haus bleiben, also müssen sie erst mal uns kaltstellen. Um uns
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