Modesty Blaise 05: Die Goldfalle
mündete; in deren Mitte lag ein Dorf aus vorgefertigten Hütten. Solche Farmen waren eine Seltenheit in dieser Gegend, wie sie auf der Fahrt von Kigali nach Bonaccord festgestellt hatte. Das Gebiet war früher infolge Überweidung und periodischer Buschbrände Ödland gewesen, aber durch ein besonderes Bewässerungs- und Kanalisationssystem hatte Brunel es fruchtbar gemacht. Seine Leute bauten eine Vielfalt von Früchten an, hauptsächlich Maniok und Erdnüsse, Sorghum und Kaffee.
«All dies wird den dankbaren Behörden kostenlos für den Export zur Verfügung gestellt», sagte er, als er sie herumführte. «Ich gelte hier als großer Wohltäter. Wir bauen außerdem genügend Grundnahrungsmittel an, um autark zu sein, und wir haben Weideflächen für ein paar Schafe und Ziegen.»
Sie schätzte, daß Brunel in den Dorfhütten auf dem Farmland ungefähr achtzig Arbeiter hatte. Es waren alles Bantu-Familien, die er aus dem Süden importiert hatte. Ebenfalls importiert war ein Dutzend Kikuju, die anscheinend als Wachhunde fungierten. Der Koch und die vier Hausdiener, alles Chinesen, waren im Erdgeschoß des Südflügels hinter den Küchenräumen untergebracht. Brunel und seine Vertrauten bewohnten den Nordflügel. Es gab fünf weiße Aufseher; zwei aus Angola, zwei aus Südafrika und einen Engländer.
Ihre Quartiere lagen im ersten Stock des Hauptgebäudes.
«Nützliche Burschen», hatte Brunel gesagt. «Es ist mir gelungen, ihnen eine halbwegs paternalistische Einstellung zu den Eingeborenen einzuimpfen. Anfangs ließen sie allzu gern die Peitsche knallen. Natürlich ist es ziemlich belanglos, was mit importierten Arbeitskräften geschieht – das ist der Grund, weshalb ich mich ihrer bediene –, aber ich will mir meinen Ruf hier bewahren, so gut es geht.»
In der Zwischenzeit hatte sie erfahren, daß diese fünf Aufseher alle in ihren Heimatländern von der Polizei gesucht wurden, Camacho und Mesquita wegen Vergewaltigung, Loeb wegen Mordes. Von van Pienaar und Selby wußte sie es nicht, vermutete aber, daß der Südafrikaner ein Schwerverbrecher und der Engländer ein Psychopath war. Im Augenblick saß Mesquita unten im Hof, das Gewehr auf den Knien.
Sie machte einen Kratzer in den Boden, um die Lage der großen Werkstatt und der Garage neben dem Treibstoffdepot, ein paar hundert Meter südöstlich vom Haus, zu bezeichnen, doch dann runzelte sie die Stirn.
Es war ihr eingefallen, daß das Generatorenhaus ebenfalls in diesem Komplex lag und daß sie es bisher vergessen hatte. Normalerweise wäre sie in der Lage gewesen, nach dieser einen Rundfahrt mit Brunel einen Plan des gesamten Besitzes zu skizzieren, rasch und ohne Zögern, aber ihr Gehirn schien sich gegen eine Betäubung wehren zu müssen, die sie nie zuvor gekannt hatte.
Hinter dem Haus, nach Nordwesten, lag ein Gürtel baumbestandener Savanne, der in ein Gebiet dürrer, gewundener Täler und Höhenzüge überging, das verwirrend war, weil es keine auffälligen Merkmale hatte.
Dann dachte sie, daß es doch wenigstens ein Merkmal geben mußte, denn dort draußen am Rand von Brunels Besitz lag die Unbezwingbare Jungfrau. Sie hatte das Gebiet jenseits der baumbestandenen Savanne nicht gesehen, aber sie konnte sich ein Bild davon machen, weil sie van Pienaar mit Brunel darüber hatte sprechen hören. Einer der Kikuju, die regelmäßig Kontrollgänge machten, hatte nur etwa siebenhundert Meter vom Haus entfernt eine Löwenspur entdeckt, und van Pienaar wollte unbedingt eine Jagd veranstalten. Weiter im Osten, rings um die Sümpfe, gab es sehr viel Wild, aber es kam anscheinend nicht häufig vor, daß sich eine einzelne Raubkatze auf das Gebiet der Farm verirrte.
Während sie den kleinen, kreisförmigen Kratzer auf ihrem Lageplan betrachtete, dachte sie an den Gorilla Ozymandias. Brunel hatte ihn ihr am Schluß der Besichtigungstour am ersten Tag gezeigt. Hundert Meter vom Haus, wo der Baumgürtel begann, befand sich eine breite, von Akazien umstandene Mulde, und hier war ein riesiger kreisförmiger Käfig von etwa zwölf Meter Durchmesser errichtet worden. In ihm lebte Ozymandias, ein Berggorilla mit silbernem Rückenstreif.
Sie erinnerte sich an den stechenden Ammoniakgestank, an die mürrischen Augen, die unter den dicken Brauenwülsten hervorstarrten; an die riesigen Hände, die die Käfigstangen umklammerten, und den silbrigen Glanz der Rückenbehaarung; dachte daran, wie Ozymandias sie angeknurrt und sich dann abgewandt hatte und auf Fußsohlen und
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