Modesty Blaise 05: Die Goldfalle
an. «Wenn die Sache sich so entwickelt, wie ich mir das vorstelle, dann wirst du natürlich eines Tages auch Befehle von ihr erhalten. Es wäre gut, du würdest dir das jetzt schon hinter die Ohren schreiben.» Er wartete darauf, daß Chance Schweißtröpfchen auf die Stirn treten würden, und sah, wie sie sich bildeten.
«Das kannst du doch nicht tun!» flüsterte Chance erschrocken. «Wir hassen sie wie die Pest.»
Brunel nickte. «Weil sie besser ist als ihr. Du haßt mich auch wie die Pest, Adrian, wenn du mal genau darüber nachdenkst. Vielleicht hast du’s schon getan. Aber das ist völlig unwichtig und ändert an der menschlichen Logik der Sache überhaupt nichts.»
«Aber ich dachte, die Blaise sollte …»
«Du dachtest, sie sollte eine zweite Lisa werden. Ein Spielzeug. Da hast du dich eben geirrt. Ich habe dich rechtzeitig gewarnt. Hör mir mal genau zu, Adrian. Du bist ein ausgezeichneter Mann, wenn es um die grobe Arbeit geht. Aber du wirst es nie zu etwas Besserem bringen. Die Blaise ist dir auf deinem eigenen Gebiet überlegen und hat außerdem noch beträchtliche andere Qualitäten. Ich rate dir, realistisch zu sein und das als eine unabänderliche Tatsache hinzunehmen So ist das Leben nun mal, dagegen kannst du nichts machen.»
Chance sah plötzlich rot und vergaß alle Vorsicht.
«Und wenn ich mich nicht damit abfinde?»
Brunel musterte ihn leidenschaftslos. «Dann müßtest du verschwinden, Adrian.»
«Und wer würde das für dich besorgen? Jacko?»
«Nein, das könnte ihn vorübergehend aus dem Gleichgewicht bringen. Aber ich habe ja noch Loeb, Selby und die andern. Jeden einzelnen von ihnen oder alle zusammen. Sie können dich nicht leiden und würden mit Freude die Gelegenheit beim Schopf packen.
Das ist meine Art, solche Dinge zu regeln. Ich könnte mich natürlich auch der Kikuju bedienen, die so gut mit ihren Macheten umzugehen wissen. Aber jetzt sieh zu, daß du dich wieder in Gewalt bekommst, Adrian. Solche Unterhaltungen beunruhigen dich bloß. Mich zu hassen ist Kraftverschwendung, weil du nie etwas machen kannst. Wenn du es versuchen würdest, mit oder ohne Erfolg, dann würdest du einen langsamen Tod sterben, das versichere ich dir. Du weißt es, und deshalb wirst du es nicht versuchen.» Ohne sich um Chances Reaktion zu kümmern, fuhr Brunel ruhig fort: «Und jetzt erzähl mir, wie du mit Dr. Pennyfeather zurechtkommst.»
Adrian Chance saß sekundenlang reglos da und schaute an Brunel vorbei zu dem fernen Höhenzug hinüber. Sein Gesicht unter dem silbernen Haar war starr und feucht. Die Pupillen seiner Augen hatten sich zu schwarzen Pünktchen verengt. Er gab einen merkwürdigen Seufzer von sich und sagte mit entrückter Stimme: «Pennyfeather? Ich hab bis jetzt noch nichts aus ihm herausgekriegt.»
«Du hast ihn aber doch ganz schön bearbeitet. Vielleicht sind deine Methoden zu direkt?»
«Vielleicht hat er die Koordinaten nie gehört. Oder er kann sich zumindest nicht mehr erinnern.»
«Er hat sie gehört», sagte Brunel. «Er hat mir erzählt, daß Nowikow eine Menge auf russisch gelallt und immer wieder dieselben Worte wiederholt hat. Und ein Teil von dem, was er gelallt hat, waren die Koordinaten. Darauf kannst du Gift nehmen. Pennyfeather sagt, er könne sich nicht an die Worte erinnern, die er sowieso nicht verstehen würde, nicht einmal an ihren Klang. Ich bin nicht sicher, ob er in diesem Punkt nicht lügt. Ich werde den Eindruck nicht los, daß er da nicht ganz aufrichtig war.»
«Ich bin bis jetzt langsam vorgegangen. Er wird absolut aufrichtig sein, wenn ich mit ihm fertig bin.»
Chance hatte jetzt wieder ein bißchen Farbe bekommen, und der Schreck stand ihm nicht mehr so sehr ins Gesicht geschrieben.
Brunel dachte eine Weile nach. «Du wirst deine Behandlung vorübergehend unterbrechen», sagte er schließlich. «Die ständige quälende Ungewißheit, wann es weitergehen wird, wird auch bei ihm ihre Wirkung tun. Dann kannst du wieder anfangen. Ich will, daß er in einen Zustand versetzt wird, in dem er sich ehrlich Mühe gibt, alles zu sagen, was er weiß, in dem er sozusagen darauf brennt, alles zu sagen. Wenn dann die Koordinaten noch immer nicht zum Vorschein kommen, werden wir es mit Hypnose versuchen, um sie seinem Unterbewußtsein zu entreißen. Denn dort liegen sie bestimmt.» Chance leerte seine Kaffeetasse und erhob sich.
«Wie lange soll ich mit der Behandlung aussetzen?»
«Ein paar Tage. Ich gebe dir Bescheid. Und heute nachmittag machen
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