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Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Titel: Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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anwesend. Frasers Anblick und seine kurze Feststellung, «Ich sagte es ihr», verlangten keine weiteren Erklärungen.
    Selbst Tarrants ungeheure Selbstbeherrschung reichte kaum aus, seine Wut in Zaum zu halten.
    Fraser versuchte, seine subalterne, unterwürfige Miene aufzusetzen, doch Tarrant ließ es nicht zu; so saß er da, trotzig und still, mit blassem Gesicht, während Tarrant seinem Zorn Luft machte.
    Modesty wartete, bis die ersten Schockwellen verebbt waren, dann sagte sie munter: «Er kam zu mir, weil ihm Ihr ruhendes Netz Sorgen macht, Sir Gerald. Das wollen wir jetzt besprechen.»
    «Nein, meine Liebe.» Er wandte sich ihr zu. «Ich würde nicht einmal einen meiner bezahlten Agenten nach Ost-Berlin schicken, um diesen Auftrag auszuführen, geschweige denn Sie. Halten Sie mich nicht für undankbar. Ich anerkenne sogar Frasers gute Absicht.
    Aber ich erlaube Ihnen nicht, etwas zu versuchen, was nicht gelingen kann.»
    «Ein paar Menschen, die Ihnen vertrauen, werden sterben, wenn wir nichts unternehmen.»
    «Ich weiß.» Tarrants Gesicht färbte sich grau. «Wenn ich der Meinung wäre, daß Sie eine Chance haben, Okubo herauszuholen …» Er zuckte die Achseln.
    «Dann würde ich vielleicht das Versprechen brechen, das ich mir selbst gab, und um Ihre Hilfe bitten. Aber es gibt keine Chance. Die Berliner Mauer ist heute praktisch unüberwindlich. Oh, ich weiß, es hat viele gelungene Fluchtversuche gegeben, aber nicht in letzter Zeit. Die Leute flüchteten über, unter und durch die Mauer. Das war einmal.»
    Gedankenverloren nahm er das Glas, das sie ihm reichte, und murmelte seinen Dank. «Heute ist es anders», fuhr er fort. «Und einfach war es niemals. Die Tunnels, die seit der Errichtung der Mauer gegraben wurden, ergeben eine dreistellige Ziffer, aber bloß ein Dutzend hatte Erfolg. Heute gibt es Ortungsgeräte, um die Tunnels zu lokalisieren. Die Leute haben die Mauer auf jede nur mögliche Art überwunden. Mit einer Stahlkugel, die, an dicken Drahtseilen befestigt, ein Loch durch die Mauer schlug, mit einer Dampfwalze, mit einer Lokomotive auf den Eisenbahngleisen und mit Dampfern auf dem Kanal. Sie schwammen und sie liefen und sie kletterten. Mehr als zweihundert starben.
    Auf jede neue Idee erfolgten Maßnahmen der Ostdeutschen, die eine Wiederholung unmöglich machten.
    Und heute haben es auch die West-Berliner aufgegeben, mitzuhelfen. Unangenehme Zwischenfälle an der Mauer sind nicht mehr gefragt.»
    Er lächelte sie müde an. «Ich kann Sie da nicht hineinziehen. Es ist auch nicht nur die Mauer allein; rundherum gibt es Hunderte Wächter, Wachhunde, Minengürtel. Bevor man vom Osten her die Mauer erreicht, muß man durch einen mit Stacheldraht abgegrenzten, etwa zehn Meter breiten Todesstreifen. Dort gehen die meisten drauf. Dort haben sie Infrarotkameras und Stolperdrähte und Wasserpatrouillen. Auch bei einem Checkpoint kann man niemanden mehr durchschmuggeln, und ganz bestimmt nicht Okubo.»
    Er leerte sein Glas und stellte es nieder. «Ich kenne Ihre Fähigkeiten und Ihre Geschicklichkeit. Vielleicht fänden Sie sogar einen Weg heraus, wenn man Ihnen genug Zeit läßt. Aber Sie können ja nicht einmal hinein, das heißt, nicht rasch genug. Sie könnten niemals unter Ihrem eigenen Namen nach Ost-Berlin fahren, und um einen Decknamen glaubhaft zu machen, würden wir Monate brauchen.»
    Modesty lächelte ihn an. «Seien Sie kein solcher Pessimist. Ich habe einen Freund, der die Einreise nach Ost-Berlin sehr leicht erhält.»
    Bevor Tarrant antworten konnte, hörte man das leise Summen des Aufzugs. Die Tür zum Vorzimmer öffnete sich, und ein Mann trat ein. Er war groß und trug einen gutgeschnittenen Anzug. Sein Haar mußte einmal blond gewesen sein, jetzt war er fast zur Gänze grau; frühzeitig ergraut, nach seinem Gesicht zu schließen, das eher rund und leicht gebräunt war. Er trug eine schwarzgeränderte Hornbrille, und um seine Mitte begann sich ein wenig Fett anzusetzen.
    «Ach, da sind Sie ja», sagte Modesty, als er näher kam und die drei Stufen herunterging, die vom Vorraum in das durch ein schmiedeeisernes Gitter abgetrennte Wohnzimmer führten. «Wie nett von Ihnen, alles liegen- und stehenzulassen und gleich zu kommen. Sir Gerald, darf ich Ihnen Sven Jorgensen vorstellen.»
    Der Mann reichte Tarrant die Hand und sagte in einem guten Englisch mit kaum merklichem Akzent: «Es freut mich, Sie kennenzulernen, Sir Gerald.»
    Tarrant erwiderte den Gruß. Er war verwirrt und ein wenig

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