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Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Titel: Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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hörte Modestys Stimme, warm und verständnisvoll. Sie wußte, daß seine Rolle – Abwarten in Sicherheit – die allerschlimmste war. «Hören Sie auf», sagte sie, «machen Sie sich nicht so viele Sorgen. Sie wissen doch, daß wir immer zurückkehren.»
    «Knapp», sagte Tarrant. «Immer knapp.» Er öffnete die Augen und blickte sie an. Er war Witwer, seine Söhne waren im Krieg gefallen. Mit plötzlicher und schmerzlicher Gewißheit erkannte er, daß dieses dunkelhaarige Mädchen, das ihn jetzt anlächelte, bis zu einem gewissen Grad die Leere in ihm ausgefüllt hatte.
    Einen Augenblick lang haßte er leidenschaftlich seinen Job und haßte sich selbst, weil er sich Sentimentalitäten erlaubte. Er hatte das Gefühl, sein eigen Fleisch und Blut den Wölfen vorzuwerfen, als er sagte: «Versuchen Sie diesmal nicht so knapp zu entkommen.»
    Sie schob ihren Arm unter den seinen und ging ins Vorzimmer. «Wir werden sehr vorsichtig sein. Bewundern Sie die Kommode, die ich bei der Auktion in Rothley Manor ersteigert habe.»
    Es war ein schönes Möbelstück mit Intarsienarbeit und ausgezeichnet erhalten. Einen Moment lang vertrieb der Anblick Tarrants Niedergeschlagenheit. Er sah, daß Modesty völlig vertieft in die Betrachtung der Kommode war; ihr Gesicht strahlte vor Freude.
    Fast entschuldigend sagte sie: «15 Pfund.»
    Er konnte es nicht glauben. «Meine Liebe, bei Christie’s bekommen sie jeden Tag an die tausend dafür. Die Händler müssen blind gewesen sein.»
    «Es waren keine dort. Wenn eine Auktion weit von London entfernt ist, nehmen sich die Händler oft nicht die Mühe, hinzufahren. Aber ich kaufte nicht, um zu verkaufen. Ich will mich einfach an ihr erfreuen.»
    Der Augenblick ging vorüber, und Tarrant fühlte, wie ihn wieder schmerzliche Angst überkam.
    «Um Gottes willen, sehen Sie zu, daß Sie noch lange Zeit dazu imstande sind», sagte er.
    Die Druckerei lag in einer schmalen Straße, nicht weit vom Alexanderplatz. Toller war ein blonder untersetzter Mann Ende Vierzig. Er sagte: «Ach ja, Herr Jorgensen. Ich weiß nicht, ob die Bücher einen großen Wert haben, doch als ich Ihr Inserat las, wollte ich mich mit Ihnen in Verbindung setzen. Bitte kommen Sie weiter.»
    Willie Garvin und Modesty Blaise folgten ihm durch die Druckerei, wo ein halbes Dutzend Männer arbeiteten. Modestys Haar zeigte jetzt ein dunkles Kastanienbraun, und verschiedene Polsterungen ließen sie um fünfzehn Kilo schwerer aussehen. Kontaktlinsen gaben ihren Augen eine andere Farbe, und eine Plastikeinlage längs des Unterkiefers veränderte ihre Gesichtsform.
    Eine kleine Presse spuckte Propagandahefte für den Westen aus. Bündel dieser Schriften würde man in Papiermaché-Behälter stopfen, in modifizierte Mörser laden und an verschiedenen Punkten entlang der mit Minenfeldern, Wachtürmen und Stacheldraht versehenen 1200 Kilometer langen Grenze abschießen. Die Hefte enthielten Fotografien und begeisterte Schilderungen des glücklichen Lebens, das alle Menschen in der Deutschen Demokratischen Republik genießen.
    Als Gegengabe – und weil der vorherrschende Wind es begünstigte – trieben aus der Bundesrepublik Ballons mit Druckschriften über die Grenze, die mit einem Uhrwerk und einem Verteilermechanismus ausgestattet waren. Das alles gehörte zum täglichen Kleinkrieg.
    Toller schloß die Tür der Druckerei und öffnete eine andere am Ende des Gangs. Sie betraten einen kleinen, sparsam möblierten Raum; und als Toller die Tür schloß, wurde der Lärm der Druckerei auf ein schwaches Summen reduziert.
    «Dieses Zimmer ist sicher», sagte Toller leise. Sein Benehmen war ruhig, doch Modesty spürte die Spannung dahinter.
    «Sie haben ihn hier?» fragte sie. Sie sprachen deutsch.
    Toller warf den Kopf ein wenig zurück und hob die Augen zur Decke. «Oben. Vor drei Tagen erhielt ich den Befehl, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen. Vor zwei Tagen rief ich Sie an.»
    «Wir mußten uns an unsere Routine halten», erklärte Modesty. «Ist die Verbindung mit West-Berlin schwierig?»
    «Sie ist immer riskant. Die Kuriere müssen Ausländer sein und können bloß eine beschränkte Zeit operieren. Aber Sie, als Ausländer, können die Grenze ohne weiteres passieren.»
    «Das werden wir nicht tun. Wir haben es niemals getan, und es würde Verdacht erwecken, wenn wir jetzt damit anfingen. Starow dürfte sehr am
qui vive
sein.»
    Toller sagte: «Bestimmt. Wir verwenden im allgemeinen keinen Funk. Nur im Notfall. In einer echten

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