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Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Titel: Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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großen Wohnraum, zog die Jacke aus und fragte:
    «Ist etwas los, Jack?»
    Fraser schnitt eine Grimasse, warf Hut und Regenschirm auf eine große Couch und starrte die beiden verbittert an. «Tarrant tritt zurück», sagte er und legte seine gewohnte Rolle ab. «Zum Kotzen. Je länger ich lebe, desto sympathischer wird mir Guy Fawkes; allerdings ist In-die-Luft-Sprengen für Politiker viel zu mild. Könnte ich, bitte, einen Drink haben?»
    Modesty nickte Willie zu, der zur Bar ging und einen doppelten Brandy einschenkte. Er kannte Frasers Geschmack.
    «Warum zieht er sich zurück?» fragte Modesty.
    «Wenn ich Ihnen das verrate», sagte Fraser, «plaudere ich aus den ministeriellen Geheimakten.» Er nippte an seinem Brandy, seufzte und sagte: «Gott, ist das ein gutes Getränk. Wenn irgend jemand das jemals mit Dry Ginger verderben will, dann schlagen Sie ihm, bitte, in die Fresse.»
    Modesty und Willie sahen einander an. Fraser schien völlig verstört, und das war so ungewöhnlich, daß sie erschraken.
    «Also fahren wir mit dem Bulldozer durch die offiziellen Geheimakten», sagte Fraser mit makaberem Genuß. «Es gibt irgendeinen japanischen Bakteriologen, der seit Jahren für die Russen arbeitet. Professor Okubo.
    Er ist abgesprungen und befindet sich derzeit in Ost-Berlin unter der Obhut eines unserer Agenten. Unsere Herren möchten ihn haben. Waverly beauftragte Tarrant, ihn herauszuholen – obwohl Starow
weiß
, daß Okubo sich in Ost-Berlin versteckt hält. Wir können das nicht bewerkstelligen, außer wir aktivieren unser ruhendes Netz. Man sagte Tarrant, eben das solle er tun.» Fraser schüttelte den Kopf. «Selbst mein Schwager hätte mehr gesunden Menschenverstand, dabei ist er jedem klugen Hund an Intelligenz unterlegen.»
    Willie Garvin pfiff leise vor sich hin. Das war schlimm. Er sah, daß Modesty sich ärgerte. Sie dachte – wie er – an die Agenten, an die Männer und Frauen, die seit Jahren das graue, trostlose und karge Leben der Ost-Berliner führten, nur damit sie aktiviert werden könnten, wenn es jemals zu einer echten Krise und zu einer Konfrontation kommen sollte.
    Der Job war im besten Fall eine Verurteilung zu vielen Jahren kümmerlichen Lebens. Ging etwas schief, konnte er Folter und Tod bedeuten. Gott allein wußte, warum sie es auf sich nahmen. Aber sie taten es. Und die geringste Anerkennung, die sie dafür erhalten mußten, war, daß man ihr Leben nicht sinnlos aufs Spiel setzte.
    «Wenn Tarrant zurücktritt», sagte Fraser brüsk, «verlieren wir den besten Mann für diesen Posten. Das ist das eine. Es ist schlimm, aber wir schneiden uns mit Vorliebe ins eigene Fleisch. Das zweite ist folgendes: Wenn er zurücktritt, wird jemand seine Stellung übernehmen, der zu tun bereit ist, was Tarrant ablehnt. Der neue Boss wird das Netz aktivieren, um diesen verdammten japanischen Masernexperten herauszuholen, und Starow hat gute Chancen, alle zu erwischen.» Wütend blickte er in sein Glas und sagte: «Ich war dort, wo die jetzt sind. Es ist nicht lustig.»
    «Wollen Sie, daß wir etwas unternehmen?» fragte Modesty.
    Fraser schenkte ihr ein schiefes, unlustiges Lächeln.
    Plötzlich sah er alt und müde aus. «Ich will nichts», sagte er. «Ich wüßte nicht, was, zum Teufel, ihr oder sonst jemand tun könntet. Ich erzählte es euch bloß in der vagen Hoffnung, daß ihr eine Idee habt, wie man diese armen, vertrauensvollen Kerle in Ost-Berlin retten könnte.»
    Eine lange Weile blieb es still. Fraser blickte auf und sah, daß Willie an der Wand neben dem Kamin lehnte und Modesty mit einer fast komischen Neugierde betrachtete, als dächten sie beide an denselben Scherz.
    Sie stand auf, ging zum Telefon und fragte: «Wissen Sie, wo Sir Gerald zu erreichen ist?»
    «Vermutlich in seinem Büro», sagte Fraser und wagte kaum, den schwachen Hoffnungsschimmer zur Kenntnis zu nehmen, der in ihm aufflackerte. «Wahrscheinlich setzt er sein Rücktrittsgesuch auf.»
    Sie wählte die direkte Nummer, wartete ein paar Sekunden und sagte: «Hier Modesty. Könnten Sie so bald wie möglich hier vorbeikommen, Sir Gerald? Es ist etwas Wichtiges.» Pause. «Danke. Also in zwanzig Minuten.»
    Sie legte den Hörer auf die Gabel. Willie stand neben Fraser und sah diesen mit einem boshaften Grinsen an. «Tarrant schwor, die Prinzessin nie mehr in eine Eskapade zu verwickeln», sagte er. «Für das hier wird er Ihren Kopf fordern, Fraser, mein lieber Freund.»
    Als Tarrant erschien, war Willie Garvin nicht

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