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Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Titel: Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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fühlen.»
    Jimson richtete sich auf den Knien auf – mit leerem Blick, den Mund noch immer geöffnet, eine Hand gegen die große Beule auf seinem Kinn gepreßt. Er schien etwas sagen zu wollen. Modesty blickte auf Rodolfo, deutete auf sich selbst und dann auf Jimson. Rodolfo zögerte, nickte und beobachtete sie scharf. Sie stand auf, ging zu Jimson und sagte: «Versuchen Sie nicht zu sprechen. Ihr Kiefer ist ausgerenkt. Bleiben Sie still und pressen Sie den Kopf nach oben, sobald ich hinunterdrücke. Verstanden?»
    Er nickte mit schweißbedecktem, schmerzverzerrtem Gesicht. Sie steckte ihre Daumen in seinen Mund und legte sie links und rechts auf einen Backenzahn.
    «Bereit? Machen Sie den Hals steif und pressen Sie hinauf …
jetzt
.» Sie drückte zuerst kräftig hinunter, dann seitlich. Man hörte ein Klicken, als der Knochen zurücksprang. Jimson schwankte und preßte die Hände auf die Wangen. Sie hielt ihn, bis er sich erholt hatte.
    «Danke», stieß er hervor. «Danke. Ich muß Rosa holen …»
    Ihre Hände auf seinen Schultern hinderten ihn am Aufstehen. «Sie können nichts tun, Mr. Jimson», sagte sie. «Man wird Sie töten.»
    «Dann … dann werden sie mich eben töten», sagte er rauh und versuchte ihre Hände fortzuschieben.
    Rodolfo sagte ruhig: «Setzen Sie sich.» Sie sahen ihn an, und er bewegte sein Gewehr ein wenig. Mit dem Kopf zum Camp deutend, sagte er: «Die dort sind Narren. Aber ich will keinen Verdruß. Setzt euch nieder und bleibt ruhig. Beide.» Sein Kinn wies auf ein mageres kleines Mädchen, das sich gegen die Felswand preßte. «Oder ich erschieße sie. Nicht euch. Sie. Und dann eine andere.»
    Jimson schüttelte langsam den Kopf, von Entsetzen betäubt. «Aber …» stammelte er hilflos. «Aber –»
    Er sank auf die Fersen zurück und verbarg den Kopf in den Händen. Modesty setzte sich nieder. Rodolfo entspannte sich. Zehn Minuten später hörten sie Rosa lachen. Ein dummes, gackerndes Lachen, das sich mit den tiefen Stimmen der Männer mischte. Jimson erschauerte.
    Nach weiteren fünf Minuten schrie Rosa plötzlich gellend auf. Jimson sprang auf, als hätte ihn ein Peitschenhieb getroffen. Alles Blut wich aus seinem Gesicht.
    «Mein Gott», stöhnte er, «was tun sie mit ihr?»
    Modesty sah ihn an. «Was, zum Teufel, glauben Sie?» sagte sie barsch. Er zitterte am ganzen Körper.
    «Bitte», stammelte er, «wir – wir müssen sie holen.»
    «Holen?» wiederholte sie, Rodolfo anblickend.
    «Wie, Mr. Jimson? Bei unserer ersten Bewegung wird dieser Mann dort die Mädchen erschießen.»
    Mr. Jimson preßte die Hände auf die Ohren, um Rosas Schreie nicht zu hören, und nahm sie wieder weg, als fände er die Stille noch unerträglicher. «Es muß etwas geben!» schrie er verzweifelt.
    «Nichts.» Es fehlte ihr die Barmherzigkeit, ihn zu verschonen, doch in ihrer Stimme lag weder Befriedigung noch Bosheit, als sie kalt hinzufügte: «Sie haben meine Pistole weggeworfen. Aus Prinzip. Jetzt werden Sie lange vor dem Tag der Vergeltung für Ihre Prinzipien bezahlen, Mr. Jimson. Und wir alle mit Ihnen.»
    Er starrte sie eine lange Weile an, und seltsamerweise schienen ihn ihre Worte zu beruhigen. Seine Augen starrten ins Leere, blickten durch sie hindurch, und mit einer fernen, verwunderten Stimme sagte er: «Ja … ich werde geprüft.»
    Wut stieg in ihr auf, aber sie hielt sich zurück und sagte gleichgültig: «Rosa sollte ausgezeichnet werden.»
    Die Protestschreie wurden von wildem Schluchzen abgelöst, dann begannen sie wieder von neuem. Gelächter der Männer, ermunternde Zurufe, Ratschläge.
    Modesty konzentrierte sich darauf, nichts zu hören.
    Hundert Meter entfernt auf dem Hügel jenseits des Tals sah sie den Wachtposten auf und ab gehen, einen großen Mann, der, wie Jacinto, einen Sombrero trug.
    Vielleicht sein Bruder. Ein schlechter Wachtposten.
    Alle waren schlecht. Man hielt nicht auf einer Hügelkuppe Wache, mit dem Himmel als Hintergrund.
    Ein Lichtstrahl traf Modesty. Sie blinzelte, bewegte ein wenig den Kopf, aber wieder wurde sie für den Bruchteil einer Sekunde geblendet. Es kam von dem Mann auf dem Hügel; vielleicht spiegelte sich seine Gürtelschnalle in der Sonne …
    Plötzlich klopfte ihr Herz. Sie hob die Hände und strich sich über das Haar. Zweimal. Das Lichtsignal hörte auf. Der Mann mit dem Sombrero legte die rechte Hand an die Hüfte, ließ sie fallen, legte sie nochmals an die Hüfte. Modesty hielt den Kopf gesenkt und beobachtete, vorsichtig

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