Modesty Blaise 08: Heiße Nächte für die Lady
eiskalt und hart: «Willst du, daß sie umkommt? Sei still, verdammt noch mal. Oder ich schlage dich auf der Stelle nieder.»
Die berserkerhafte Wut fiel von Collier ab; er erschlaffte. Er hob eine Hand, tätschelte sanft die Hand auf seinem Mund und versuchte, mit dem Kopf zu nicken. Ihre Lippen noch immer an seinem Ohr, flüsterte sie: «Sie lebt, Steve. Aber es ist verzwickt. Wir müssen warten.» Langsam ließ sie ihn los und zog ihn ein Stück zurück. Im Mondlicht sah er, wie sie zu einem kleinen viereckigen Loch in der Mauer zeigte, in dem sich einst eine Säulenplatte befunden hatte. Er stellte sich auf die Zehenspitzen, um hindurchzublicken, und entdeckte in der gegenüberliegenden Ecke des Tempels eine kleine Filmkamera auf einem Stativ und einen offenen Lederkoffer mit Filmzubehör. Von einer Batterie im Koffer liefen Drähte zu zwei Scheinwerfern, die von Haken, die in der Wand eingeschlagen waren, herabhingen.
Ein hagerer Mann mit schütterem sandblondem Haar stand daneben und blickte hinüber zu dem Podest und dem Opferstein, den Collier von seinem neuen Standpunkt aus nicht sehen konnte. Der Mann hatte keine Jacke an, und das schweißnasse Hemd klebte ihm am Körper. Ein Revolver hing tief an seiner rechten Hüfte, aber nicht für lange Zeit. Eine blitzschnelle Handbewegung, und der Revolver war heraus. Der Mann wirbelte die Waffe spielerisch um den Mittelfinger, sie schien durch die Luft zu springen und rotierte dann weiter in der anderen Hand. Ein neuer Sprung, der Revolver kreiste wieder, fuhr mit elegantem Schwung zurück in das Futteral und wurde im nächsten Moment von neuem gezogen. Die Handlung geschah völlig unbewußt – die Spielerei eines Mannes, dessen Schußwaffe gewissermaßen ein Teil seiner Selbst war.
Collier hatte sich jetzt gefaßt, dachte zurück an frühere Gefahren, rief sich das bißchen Erfahrung, das er erworben hatte, ins Gedächtnis zurück und bemühte sich, die Erregung, die seine Selbstkontrolle schwächte, eiskalt zu unterdrücken. Verzwickt hatte Modesty gesagt. Ja, sie war unbewaffnet. Willie konnte sich diesen Mann mit dem Messer vornehmen, aber da war immer noch der Dunkelhaarige neben Dinah. Er trug ebenfalls eine Pistole, und es gab keinen Grund zu der Annahme, daß er damit weniger gewandt umging als sein Kamerad. Und wo, zum Teufel, war Willie überhaupt?
Der Hagere lachte plötzlich auf und sagte: «Gott, willst du wirklich eine solche Schau veranstalten für das alte Mädchen?»
Die Antwort des anderen – er sprach mit Akzent – hallte von dem Podest zurück. «Er hat gesagte, wir sollen es so machen, daß es ihr gefällt. Bist du sicher, daß du einen Film in der Kamera hast?»
«Du kümmere dich lieber um die Handlung, alter Junge.» Colliers Kiefer schmerzten, so sehr preßte er die Zähne zusammen. Tief im Innern dämmerte ihm eine unglaubliche Erkenntnis. Er machte zwei lautlose Schritte zu Modesty hinüber, und als er schräg zwischen den Säulen hindurchblickte, sah er, daß der Mann mit dem dunklen Haar seine Pistole auf dem Steinblock abgelegt hatte und so etwas wie einen weißen Umhang anzog.
Aus der anderen Ecke tönte die Stimme des zweiten:
«He, wenn diese Mädchen erstochen wurden, waren sie dann ganz wach und zappelten tüchtig?»
Martinez zuckte die Achseln. «Wie soll ich das wissen?»
«Diese Priesterkerle gehörten doch zu deinem Volk. Du solltest es eigentlich wissen.»
«Ich denke, sie waren wach, wenn sie erstochen wurden. Es ist besser, wenn Miss Benita es so zu sehen kriegt.» Er rollte Dinah auf den Rücken und schlug sie kräftig ins Gesicht.
Modestys Finger kniffen in Colliers Arm. Er stand völlig still, bemühte sich, bei Verstand zu bleiben, und dachte mit furchtbarer Klarheit:
Ich werde diesen Mann umbringen. Irgendwie werde ich ihn töten
.
Die amerikanisch klingende Stimme kicherte: «Ich wüßte schon, wie man dieses Stückchen Fleisch hier munter kriegen könnte.»
«Vergiß es. Sie hat einen dicken Bauch.» Martinez ohrfeigte Dinah erneut. «Komm,
quérida
, wach auf!»
Collier sah, wie seine Frau den Arm bewegte. Ihre Hand tastete die Oberfläche des Steinblocks ab. Ein Schauer schüttelte sie, und mit zitternder Stimme wisperte sie: «Steve? Steve, Liebling …?»
Collier schloß die Augen und fühlte Tränen über sein Gesicht rinnen. Fühlte, wie ihm das Herz barst, Modesty flüsterte ihm zu: «Was immer ich sage, tu es.»
Er hatte keine Ahnung, was sie vorhatte, aber sein Vertrauen in sie war
Weitere Kostenlose Bücher