Modesty Blaise 08: Heiße Nächte für die Lady
preßte die Hände gegen den Kopf. «Könnte?»
«Ja. Es bestand also eine Hoffnung, es abzuwenden, was immer es auch sein würde. Wir dachten … ein natürliches Ereignis. Nicht an so etwas. Ich bin untröstlich, Steve, untröstlich, daß wir so dumm waren.»
Er schüttelte langsam den Kopf, verstand nun, warum ihr Verhalten so eigenartig gewesen war. «Ihr wart nicht dumm. O Jesus, meine arme kleine Dinah. Ihr meint, sie glauben, in dem Tempel ist irgend etwas versteckt? So etwas wie ein Schatz?»
«Vielleicht. Sei still jetzt, Liebling.»
Willie meldete: «Wir sind gleich oben, Prinzessin.»
«In Ordnung.» Sie beugte sich nach vorn. Ein paar Sekunden vor Erreichen des Gipfelpunkts schaltete Willie die Zündung und die Scheinwerfer aus. Colliers Magen drehte sich um, denn der Jeep tauchte in pechschwarze Dunkelheit und sauste den langen Hang hinab. Dann, als sich seine Augen an die Finsternis gewöhnt hatten, sah er, daß Modesty halb aufgerichtet hinter Willie stand, die Arme über seinen eingezogenen Schultern, die Hände auf dem Steuerrad, und nach vorn starrte. Sie hatten diesen Augenblick sichtlich von Beginn der Fahrt an vorausgeplant. Deshalb hatte Modesty während der Fahrt die Augen geschlossen, bereit, das Steuer zu übernehmen, wenn die Scheinwerfer verlöschten.
Er fragte leise: «Wie soll ich mich verhalten?»
«Komm mit, wenn du willst. Aber halte dich zurück, was immer auch geschieht. Überlaß es Willie und mir.»
«Ja.»
Sie rollten weiter bergab. Willie atmete tief und sagte: «Jemand ist dort oben, Prinzessin.» Der Tempeleingang war schräg vor ihnen, ein schwacher Lichtschein drang aus dem Innern.
«Unten steht ein Auto, schwarz oder dunkelblau», ergänzte Modesty. «Das sind sie. Ah, jetzt hab ich’s.»
Eine Minute später kam der Jeep fünfzig Schritte hinter dem Ford lautlos zum Stehen. Collier stieg aus und fühlte Modestys Hand auf seinem Arm, die ihn zurückhielt. Willie glitt schemenhaft davon, ein Messer in der Hand. Er schlich um den Ford herum, hob dann einen Arm und winkte.
Modesty flüsterte: «Ganz leise jetzt, Steve. Und halte dich immer im Dunkeln. Wir wissen, daß zwei dort sind, aber es könnten mehr sein, und wenn sie uns entdecken, solange Dinah noch in ihren Händen ist, könnte es schlimm werden.»
Bevor Steve antworten konnte, eilte sie davon. Er sah, daß sie die Schuhe abgestreift hatte und barfuß war. Im nächsten Augenblick huschten sie und Willie die steilen, unförmigen Stufen der Pyramide hinauf.
Collier dankte Gott, daß seine Schuhe Kreppsohlen hatten, und folgte ihnen. Entsetzliche Angst hatte ihn gepackt, jeder Nerv in ihm schien zu einem glühenden Draht geworden zu sein, der unkontrollierbar zuckte.
Als er endlich den breiten Sims in halber Höhe erklommen hatte, war er schweißgebadet, und sein Atem rasselte. Er verschnaufte einen Augenblick, bis sich seine Lungen beruhigt hatten, und blickte nach oben.
Aber Modesty und Willie waren nicht mehr zu sehen.
Dann kletterte er weiter, gepeinigt von körperlichen und seelischen Qualen. Schließlich erreichte er das Plateau der Pyramide und blickte auf die westliche Tempelmauer. Rechts von ihm, hinter der Mauerecke, schimmerte das Licht aus dem Tempelinnern. Von Modesty oder Willie sah und hörte er nichts.
Vorsichtig schlich er auf die Mauerecke zu, bis er von der Seite zwischen den Eingangssäulen hindurch in das Tempelinnere hineinspähen konnte. Und auf der Stelle packte ihn Schreck, Entsetzen und eine mörderische Wut. Eine starke Lichtquelle irgendwo an der westlichen Wand außerhalb seines Sichtbereichs erhellte den großen Opferstein. Auf seiner muldenförmigen Oberfläche lag Dinah, das Gesicht nach unten, hilflos ausgestreckt, nackte, der Körper war voll Abschürfungen. Hinter dem Stein, auf dem erhöhten Podest, stand ein dunkelhaariger Mann mit einem Vollbart. Er war kurzärmelig und trug einen Revolver in einem Schulterhalfter. Dicht neben Dinahs Kopf lag ein großes, reichverziertes Kultmesser. Der Mann stand am Rand des Podests, vier Schritte von der kleinen Öffnung in der Wand hinter ihm entfernt, und entfaltete etwas, das aussah wie ein weißes Tuch.
Einen Augenblick lang war Collier wie gelähmt, dann wollte er losstürzen, schreien. Eine Hand schloß sich über seinem Mund, schlanke, kräftige Finger preßten sich unbarmherzig zwischen seine Kiefer. Eine andere Hand packte ihn am Haar und riß ihm den Kopf zurück. Lippen berührten sein Ohr, und Modestys Stimme hauchte
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