Modesty Blaise 12: Die Lady läßt es blitzen
wir Tötung von Molly Chen als Unterauftrag vergeben, und leider haben die Auftragnehmer versagt. Es scheint, daß Miss Chen sich damals in Malta in Gesellschaft einer männlichen Person befand und daß diese männliche Person das Ausführungsorgan des Auftragnehmers in einer Weise kaltgestellt hat, die als bemerkenswert bezeichnet wird. Es steht nun fest, daß Name dieser Person William Garvin lautet, besser bekannt als Willie Garvin. Unseren Aufzeichnungen zufolge war er rechte Hand von Modesty Blaise, als sie das Netz leitete, und ist auch heute noch mit ihr liiert. Und es gibt eine Angelegenheit, die damit in Zusammenhang steht, Doktor.«
Seine Augenbrauen hoben sich. »Eine Angelegenheit, die damit in Zusammenhang steht?«
»Ja, Doktor.« Sie blätterte in ihrem Block und warf einen nervösen Blick auf den Mann hinter dem Schreibtisch. »Wir haben den wöchentlichen Bericht unseres Spitzels in North Thursby erhalten. Im allgemeinen ist dort alles in Ordnung. Als Ortsansässige haben unsere dortigen Mitglieder nichts zu verbergen und helfen sehr dabei, uns in Nordeuropa Glaubwürdigkeit zu verleihen. Daher gibt es in dieser Richtung keine Schwierigkeiten. Aber im Bericht wird erwähnt, daß Modesty Blaise vor drei Tagen mit ihrem Privatflugzeug auf Flugplatz in der Nähe von North Thursby gelandet ist. Unser Mann erfuhr dies nur durch Zufall und wußte nicht, ob es von Bedeutung ist, aber er dachte, er sollte es berichten. Darf ich fragen, ob ich Ihnen eine kurze Beschreibung dieser beiden Personen geben soll, Doktor?«
Thaddeus Pilgrims Blick war in den letzten Minuten sehr viel klarer geworden. Die milden Augen schienen beinahe wachsam, als er ruhig erwiderte: »Nein … ich habe früher einmal die Karrieren von Miss Blaise und Mr. Garvin sehr aufmerksam und mit großem Interesse verfolgt, weil ich hoffte, sie könnten wertvolle Mitglieder unserer kleinen Gemeinde werden, aber ich mußte diesen Gedanken sehr widerwillig aufgeben, als ich erfuhr, daß sie sich zur Ruhe gesetzt hatten. Allerdings scheint das eher eine Sache der Definition zu sein. Sie sind ein sehr interessantes Paar, und ich habe keinen Zweifel, daß, wenn einer in eine Sache verwickelt ist, auch der andere damit zu tun hat.« Er strich sich nachdenklich über das Kinn. »Die Liquidierung Molly Chens war natürlich nicht von großer Wichtigkeit.
Einfach eine Sicherheitsmaßnahme gegen das Risiko, daß sie etwas wissen
könnte
und darüber sprechen
könnte
. Dennoch müssen wir Garvins Auftauchen in dieser Angelegenheit zusammen mit Modesty Blaises möglichem Interesse an unserer Herberge in North Thursby unsere Aufmerksamkeit schenken. Beides stellte eine potentielle Gefahr dar, die einfach unakzeptabel ist.«
Er schwieg eine Weile, rührte sich nicht, blinzelte nicht und schaute ins Leere. Mrs. Ram beobachtete ihn mit atemloser Bewunderung. Dann sagte er: »Wenn wir unsere eigenen Leute schicken, um Molly Chen kaltzumachen … das würde Willie Garvin auf den Plan rufen, und er würde herausfinden, wer sie getötet hat und warum. Dann würde Modesty Blaise sicher selbst eingreifen, was bedeutet, daß wir gerade zum Zeitpunkt des Hallelujah-Szenariums machtvolle Feinde hätten, die uns vernichten wollen, und das ist nicht wünschenswert. Daher denke ich …« Er rückte seinen Stuhl nach vorn, lehnte sich mit verschränkten Armen auf den Schreibtisch und sah die Inderin mit boshaftem Lächeln an. »Ja, ich glaube, Mrs. Ram, daß wir uns selbst der Aufgabe unterziehen müssen, einen Präventivschlag gegen diese zwei Personen zu erfinden. Aber wir müssen ein
passendes
Szenarium konstruieren, meinen Sie nicht? Unsere Aufgabe ist es,
Sinnvolles
in einer Welt von
Nutzlosem
zu schaffen, nicht wahr?«
Mrs. Ram preßte ihren Manuskripthalter an die Brust und sagte atemlos: »Ja, Doktor, ja.«
»Ausgezeichnet, ausgezeichnet.« Thaddeus Pilgrim nahm seine Uhr heraus. »Nun, ich darf nicht vergessen, daß Sie Sibyl Pray und Kazim noch instruieren und auf ihre kleine Mission schicken müssen.« Er sah auf, und plötzlich waren seine Augen schrecklich leer, wie die eines Totenschädels: »Sagen Sie ihnen, sie sind gut beraten, nicht zu scheitern, Mrs. Ram.«
Ein wohliger Schauer durchzuckte sie, und sie nickte mit eifriger Zustimmung. »Natürlich, Doktor.«
Sein Gesicht wurde wieder menschlich und sein Blick freundlich, als ein verschwommenes Lächeln über seine Züge wanderte. »Wenn Sie einmal Zeit haben«, sagte er und beugte sich
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