Modesty Blaise 12: Die Lady läßt es blitzen
oben bis unten. »Die gefällt mir, Terry, die gefällt mir.« Er stieß sich von der Wand ab und schlenderte auf Modesty zu.
»Nicht übel, Bruce«, sagte der andere und grinste.
Modesty sagte: »Guten Morgen. Würden Sie bitte Mr. Goss ausrichten, daß Modesty Blaise ihn sprechen möchte?«
Bruce blieb vor ihr stehen, die Hände in den Hosentaschen, und zog sie mit den Augen aus. »Das kann ich nicht, Baby. Während der Bürostunden stören wir ihn nie mit Puppen. Strikter Befehl.«
Sie antwortete geduldig: »Wenn Sie ihm nur sagen, daß ich hier bin.«
»Nööh.« Bruce schüttelte den Kopf. »Aber ich sag dir was, Baby, ich hab heute nachmittag frei, also …«
Er beugte sich vor und flüsterte ihr einen unsittlichen, obszönen Antrag ins Ohr, wobei er ihr Gesicht voll siegessicherer Vorfreude musterte. Die Reaktion war völlig anders, als er erwartet hatte. Ihre Augen wurden plötzlich groß und dunkel, dann bewegte sie sich, unmerklich und scheinbar harmlos, und trotzdem brachte ihn eine Berührung ihrer Hände aus dem Gleichgewicht, und er griff nach ihr, verfehlte sie, wurde herumgewirbelt, fühlte sich am Handgelenk und am Oberarm schnell, aber verblüffend kräftig gepackt, wurde in einer drehenden und immer schneller werdenden Bewegung, die jeden klaren Gedanken unmöglich machte, hinaufgeschleudert, hatte dann den Eindruck, er schlüge durch seine eigene Kraft, aber ohne seinen Willen, über einen gebeugten Rücken hinweg einen Purzelbaum, und anschließend knallte er mit dem Rücken voran und dem Kopf nach unten an die Wand neben der Tür mit der Aufschrift »Privat«.
Terry mit dem vorspringenden Kinn war bereits von seinem Stuhl aufgestanden und kam rasch auf sie zu, wobei er nun einen kleinen, mit Schrotkugeln gefüllten Lederbeutel in der Hand hielt. Sie schob ihren Rock in die Höhe, um den Beinen einen größeren Spielraum zu geben, wich so schnell zurück, daß er sein Timing nicht mehr richtig abstimmen konnte, blieb dann plötzlich stehen, machte einen Schritt in den Kreis, den sein Arm beschrieb, hielt den Ellbogen schützend vor, drehte sich um und mähte ihn mit einem Fußtritt nieder. Er fiel aus einer Höhe von einem Meter mit einem solchen Aufprall flach auf den Rücken, daß ihm der Atem pfeifend aus den Lungen entwich. Sie machte einen Schritt zurück, stand da und biß sich auf die Lippen. Sie ärgerte sich über sich selbst, weil sie ihrer so lange aufgestauten und unterdrückten Angst in einem Sturm von Aggression freien Lauf gelassen hatte. Die Tür zum Büro öffnete sich, und ein Mann trat heraus. Er war nicht größer als Modesty, hatte schütteres Haar, und seine Gestalt hatte die Form eines großen Eies, auf dem ein etwas kleineres saß. Er war Mitte Fünfzig, teuer gekleidet und hielt eine Zigarre in der Hand.
»Was zum Teufel geht hier vor?« fragte er und hielt inne, als er Modesty sah. Sein Gesicht strahlte vor Freude, und ohne die auf dem Boden liegenden Männer zu beachten, kam er mit ausgebreiteten Armen auf sie zu. »Modesty! Liebling! Wie geht’s dir? Schön, dich zu sehen, Mädchen. Komm herein, komm herein.«
Sie sagte: »Es tut mit leid, Dave. Dein Leibwächter ist frech geworden, und ich habe wohl überreagiert.«
»Blöde Affen«, murmelte er wütend, nahm sie beim Arm und führte sie in sein Büro. Im Vorbeigehen versetzte er Terry, der sich herumgerollt hatte und benommen auf den Knien lag, einen schmerzhaften Tritt in den Hintern. Terry heulte auf und fiel auf das Gesicht. »Tut mir leid, Liebling«, sagte Dave Goss, »aber heutzutage ist es unmöglich, anständiges Personal zu bekommen.«
In dem Büro, das überraschend geschmackvoll eingerichtet war, führte er sie zu einem Lehnstuhl, bot ihr einen Drink an, den sie ablehnte, fragte sie, ob er rauchen dürfe, setzte sich dann hinter den Schreibtisch und meinte mitfühlend: »Du suchst Willie Garvin?«
»Ja, Dave.« Ein leichtes, automatisches Lächeln. »Ich dachte, der größte Gauner südlich vom Wash könnte vielleicht etwas läuten gehört haben.« Er machte eine mißbilligende Handbewegung. »Der größte? Nun, ich glaube, es ist wohl eher Glück, wirklich. Warum hast du nicht angerufen, Modesty-Mädchen?«
»Ich habe erst kürzlich eine Ewigkeit am Telefon verbracht, und du bist nur eine Stunde von London entfernt. Ich bin froh, wenn ich einmal rauskomme.«
»Natürlich.« Er klopfte seine Zigarre am Aschenbecher aus. »Ich habe es vor ungefähr zehn Tagen in der Zeitung gelesen. Das
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