Modesty Blaise 12: Die Lady läßt es blitzen
wurde zu einem Lächeln. Sie stand auf, und er hatte den Eindruck, daß ihre Stimme nicht ganz fest war, als sie sagte: »Du hast mir nach zehn Tagen den ersten Hoffnungsschimmer gebracht, Dave. Ich bin dir so dankbar.«
»Ich hoffe, du findest irgendeine Spur, Modesty-Mädchen.« Er kam hinter dem Schreibtisch hervor, gab ihr die Karte und sah zu, wie Modesty sie in ihrer Handtasche verstaute. Zögernd fragte er: »Glaubst du, daß Willie … na ja, du weißt … lebt?«
»Ja, das glaube ich.« Sie legte eine Hand auf seinen Arm und beugte sich vor, um ihre Wange an seine zu schmiegen. »Ich werde dich auf dem laufenden halten.«
»Ja, tu das, Liebes.« Er ging mit ihr zur Tür. »Und wenn du glaubst, du könntest ein paar lebhafte Burschen als Unterstützung brauchen, ruf mich einfach an. Okay?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich möchte dich da nicht reinziehen. Das ist mein Fall. Aber nochmals danke, Dave.«
»Ist schon in Ordnung.«
Er hielt ihr die Tür auf und begleitete sie zum Fahrstuhl. »Laß von dir hören, Liebling«, sagte er, als sich die Türen hinter ihr schlossen. Terry saß nun hinter dem kleinen Tisch gegenüber dem Fahrstuhl und trug einen Armesünderblick zur Schau. Bruce hockte nach vorn gebeugt auf dem Stuhl neben der Tür zum Büro und hielt eine Hand auf den Rücken gepreßt. Als Dave Goss vom Lift wegging, sagte Bruce mit weinerlicher Stimme: »Ich bin verletzt, Dave, ich bin verletzt. Sie hat mir beinahe das Rückgrat gebrochen.«
Dave Goss blieb mit ärgerlicher Miene vor ihm stehen. »Armer alter Bruce«, sagte er mit vorgetäuschtem Mitgefühl. »Aaarmer alter Brucey. Hat sich zum Idioten gemacht, und nur, weil er Modesty Blaise wie eine Anfängerin behandelt hat.« Seine flache Hand knallte geräuschvoll gegen Bruces Wange, der in den Stuhl zurückfiel. Dave Goss beugte sich hinunter, um ihm ins Gesicht zu sehen. »Du hast keinen Scharfblick, Brucey!« schrie er. »Keinen Scharfblick!«
Dr. Thaddeus Pilgrim verließ fast nie sein Arbeitszimmer, und es gab ein großes Getuschel und viele Vermutungen unter den verschiedenen Nationalitäten, die das Volk der Herberge der Rechtschaffenheit bildeten, als man ihn über den Hof und durch den Freizeitraum zum technischen Sektor des Gebäudes hinübergehen sah.
Dr. Tyl empfing ihn in seinem kleinen Büro, bot ihm einen bequemen Stuhl an und verlieh seiner Freude Ausdruck, daß Thaddeus Pilgrim gekommen war, um sich selbst vom Fortschritt der Vorbereitungen für das Szenarium zu überzeugen. »Ich möchte Ihnen ein kurzes Resümee der angewendeten Methode geben, Dr. Pilgrim«, sagte er, nahm eine Akte von seinem Schreibtisch und öffnete sie. »Wie Sie wissen, konnte unser Bevollmächtigter in London meinem Wunsch nach einer Reihe von Farbfotos, Modesty Blaise darstellend, nachkommen. Ebenso von Fotos einer Frau, die schon seit einiger Zeit Garvins dortige Geliebte ist. Sie heißt Lady Janet Gillam, eine schottische Aristokratin, die in der Nähe von Garvins Gasthaus an der Themse ein Gut besitzt.«
»Ach ja«, murmelte Thaddeus Pilgrim abwesend.
»Mrs. Ram hat mich von Garvins Verbindung mit einer adeligen Dame in Kenntnis gesetzt. Ein höchst interessantes soziologisches Phänomen, nicht wahr?«
»Äußerst interessant«, sagte Dr. Tyl mit unterdrückter Ungeduld. »Nun, der erste Schritt meines Systems bestand darin, eine vollständige Amnesie herbeizuführen. Der zweite, sicherzustellen, daß Garvins mentales Bild von Modesty Blaise völlig ausgelöscht war. Diese beiden Stadien wurden durch Suggestion mittels Narkohypnose erreicht, verstärkt durch Tonbandsuggestion im Halbschlaf. Es war aber sehr wichtig, daß er sich weiterhin des
Namens
Modesty Blaise und der ungeheuren Bedeutung ihrer Person für ihn bewußt blieb.«
Dr. Tyl blickte von der Akte, die er in der Hand hielt, auf und zwinkerte fröhlich mit den Augen, so daß er wie ein sehr großer Teddybär aussah. »Das dritte Stadium bestand darin, in seinem Gedächtnis ein neues falsches Bild von Modesty Blaise zu schaffen, das Bild einer
anderen Frau
, für die er aber ebenfalls große Zuneigung empfindet. Seine Geliebte, Lady Janet Gillam.«
»Gehe ich richtig in der Annahme, daß Sie dieses Stadium erreicht haben, lieber Freund?«
»Sicher. Es ist nötig, die Täuschung ständig zu wiederholen, da es sonst zu einer natürlichen mentalen Umkehrung in die tatsächlichen Verhältnisse käme, aber das ist kein Problem.«
»Bewundernswert, bewundernswert. Und wie
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