Modesty Blaise 13: Bellman (Kurzgeschichte von Cobra Trap)
blickte zum Landhaus hinüber, um sicherzugehen, dass sie hineingegangen war, öffnete die Fahrertür, lehnte sich über den Fahrersitz und strich mit seiner Handfläche über den Beifahrersitz. Er griff unter das Armaturenbrett und legte einen Schalter um, dann drückte er einen Knopf an der Mittelkonsole. Eine dünne Nadel sprang aus einem winzigen Loch aus einer der Ledernähte, stieß eine klare Flüssigkeit aus und verschwand wieder. Crichton trocknete den Sitz mit einem sauberen Lappen, schloss die Tür und ging zum Landhaus hinüber.
Als er durch die Küchentür eintrat, versuchte er, seine Verärgerung über die Bemerkung ›Großer Weißer Bwana‹ zu unterdrücken und gelassen und freundlich zu wirken. Sie hatte Paul Crichtons Macho-Selbstbild verletzt und er hätte sie am liebsten dafür geschlagen, aber tröstete sich bei dem Gedanken, dass eine weitaus langanhaltendere und lohnendere Rache bevorstand.
Drei Stunden danach saß Sir Gerald Tarrant an seinem Schreibtisch und betrachtete zwei Fotografien, die nebeneinander lagen, eine zeigte einen Mann, die andere eine attraktive junge Frau. Sein Assistent Fraser, einen Aktenordner unter seinem Arm, beobachtete ihn. Fraser, ein kleiner Mann mit essigsaurem Ausdruck um die Fünfzig, der zwei Persönlichkeiten besaß, die falsche, ein sich anbiedernder Schwächling, die wahre, ein abgehärteter Zyniker. Diese Kombination hatte ihn zu einem höchst gefährlichen Agenten gemacht, als er noch aktiv im Geheimdienst tätig war. In jenem Augenblick spiegelte sich die zweite wider und er blickte seinen Chef säuerlich an.
»Sie sind also hingefahren und haben letztendlich Modesty Blaise nicht getroffen?« fragte er.
»Ich habe sie von weitem gesehen, aber ich habe mich umentschlossen, Jack. Und jetzt richten Sie Ihr Augenmerk auf einen seltsamen Umstand.« Tarrant berührte eines der Fotos.
»Wir wissen, dass Paul Crichton erst kürzlich Kontakt zu dem schwer zu fassenden Bellman hatte. Wir wissen auch, dass Miss Sandra Thorne, wie sie sich jetzt nennt, eine Bindung zu Bellman hat, die weit zurückreicht. Und in diesem Augenblick begleitet Crichton Modesty Blaise und Miss Thorne wird von Willie Garvin begleitet.«
Fraser äußerte ruppig Zustimmung, »Was bedeutet?«
»Was bedeutet, dass unsere Freunde Modesty und Willie das nicht wissen und sie in Schwierigkeiten sind. Bellman ist hinter ihnen her, aus welchen Gründen auch immer. Er nimmt sie aufs Korn.«
Fraser sagte leicht verächtlich. »Sollen wir sie vielleicht warnen, das meinen Sie doch?«
Tarrant schaute weiter auf die Fotografien. »Für jemanden, der einen Funken Selbstachtung und Aufrichtigkeit besitzt, ist es ein Muss.« Er blickte auf und schüttelte dann gereizt den Kopf. »Ich wünschte, wir könnten uns diesen Luxus leisten, aber wir
wollen
Bellman. Wenn er hinter unseren Freunden Modesty Blaise und Willie Garvin her ist, kann es leicht sein, dass er sich Probleme aufhalst, die ihn unvorsichtig werden lassen. Überwache Sie sie, Jack. Nehmen Sie es sofort in Angriff.«
»Wird gemacht.« Fraser ging zu der Tür, die in sein eigenes Büro führte. »Wenn es nicht schon zu spät ist«, fügte er hinzu.
Tarrant legte die Fotografien beiseite und wünschte, dass er sich selbst in diesem Augenblick nicht so sehr hassen würde.
»Die Gefahr besteht immer«, sagte er sorgenvoll. »In diesem Fall können wir nur hoffen, dass sie Bellmans Höflichkeitsbezeigungen überleben werden.«
Fraser öffnete die Tür. »Das ist ihr Problem.«
Am folgenden Morgen sprach Tarrant im Vorzimmer ihres Penthouse über dem Hydepark mit dem Hausdiener, der gleichzeitig ihr Küchenchef und Chauffeur war. Tarrant war der Ansicht, dass er in der Industrie ein hohes Tier hätte werden können, wenn er es gewollt hätte und es nicht ausdrücklich vorgezogen hätte, im Dienst seiner höchst ungewöhnlichen Arbeitgeberin zu bleiben, die ihm zahlreiche umfassende und verantwortungsvolle Aufgaben übertrug.
»Nein, Sir Gerald«, sagte Weng höflich, »Miss Blaise wollte gestern Abend zurückkehren, aber sie kam nicht. Darf ich Ihnen ihren Hut und Regenschirm abnehmen, Sir? Miss Blaise hätte mir sicher aufgetragen, Ihnen Kaffee oder Tee anzubieten oder vielleicht…«
»Nein, nein danke«, unterbrach ihn Tarrant hastig. »Haben Sie in ihrem Landhaus angerufen?«
»Natürlich, aber auch dort ist sie nicht, Sir. Ich habe auch Mr. Garvin angerufen, aber anscheinend ist er letzte Nacht auch nicht wie erwartet nach Hause in
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