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Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)

Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)

Titel: Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Bittermann
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merklich ruhiger in Kreuzberg. Die 1. Mai-Unruhen sind einfach nicht mehr das, was sie mal waren. Und wie es aussieht, läuft das Hamburger Schanzenviertel Kreuzberg gerade den Rang ab. Ja, so ungefähr könnte es sein, denke ich mir auf dem Nachhauseweg.
    In einer Seitenstraße läuft mir ein Orang Utan über den Weg. Er ist von Fotografen umringt. Der Orang Utan hat Converse Allstars an, sieht aber sonst ziemlich echt aus, also echter als die Gorillas in den ersten Tarzen-Filmen, aber genauso lächerlich. Er humpelt zum wummernden Laster und zu den transparentüberprüfenden Polizisten. Wahrscheinlich verbirgt sich Thomas Schmid in dem Kostüm, der sich davon überzeugen will, ob sein Plan aufgeht.

Woher der Wind weht
    »Hey, da kommt ja Gott. Guten Tag, Gott«, begrüßt mich Bommi Baumann auf dem Gelände des Mehringhofes. Eigentlich wollte ich mich incognito unter das linke Volk mischen, aber das kann ich jetzt ja wohl vergessen. Till Meyer ist auch da. Er stützt sich wie ein übel gelaunter General auf eine Krücke und flucht wegen seines gebrochenen Beines, weil »diese Scheiße« einfach nicht verheilen will. Doktor Seltsam wuchtet seinen grazilen Körper auf die Beine und schenkt mir passend zu dem Abend einen schönen Kalauer: »Man braucht keinen Kachelmann, um zu wissen, woher der Wind weht.«
    In der Gaststätte »Clash« wird nämlich noch einmal überprüft, ob der Wind 1968 ff. wirklich aus der richtigen Richtung kam. Zwei Weathermen-Veteranen sind aus den Staaten gekommen, um was über die Anfänge des Untergrundkampfes in den USA zu erzählen, Bernardine Dohrn, die auf der FBI-Liste der zehn meistgesuchten Verbrecher stand, und ihr Mann Bill Ayers, der es nicht unter die ersten zehn geschafft hat, aber ein Erinnerungsbuch geschrieben hat, das er vorstellen will. Die deutsche Ausgabe ist jedoch noch nicht fertig. Ein Film soll gezeigt werden, aber es gibt keine Leinwand, und geredet werden soll natürlich auch, aber die Mikroanlage rückkoppelt. Von den Linken lernen heißt, nur nicht die Nerven zu verlieren. Der Film wird trotzdem gezeigt und auf dem Podium trotzdem geredet, nur das mit dem Buch wird nichts mehr.
    In dem Film tauchen zwei deutsche Wörter auf: »Kindergarten« und »Zeitgeist«, ein schöner Beitrag der deutschen Sprache, der da Eingang in die amerikanische Kultur gefunden hat, und im Spannungsfeld dieser beiden Worte bewegt sich irgendwie auch diese Veranstaltung.
    Die Übersetzung der ausschweifend dozierenden Podiumsteilnehmer ist nicht immer sattelfest. Aus dem »Verbrennen von Einberufungsbescheiden« wird das »Verbrennen von BHs«. Das ist der lustigste Beitrag an diesem Abend, aber niemand lacht. Ich auch nicht, aber ich habe überall meine Informanten sitzen, in diesem Fall den Vorwortschreiber des Buches, das es noch nicht gibt.
    Ein ehemaliger Deserteur der amerikanischen Streitkräfte sitzt auch auf dem Podium und versucht das Publikum davon zu überzeugen, gegen die Regierung zu sein und zu opponieren. Alle finden das gut, weil sie genauso denken wie der schwarze GI aus Detroit, der einen Camcorder aufgestellt hat, um seinen Auftritt zu filmen. Was er von den Weathermen hält, dazu sagt er nichts. Er prangert die 500-jährige Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung an, und das auf eine agitatorische Weise, als gelte es, Menschen aufzuklären, die davon noch nie gehört haben.
    Die meisten Zuschauer gehören der gleichen Altersklasse wie die Podiumsteilnehmer an, aber es sind auch ein paar junge Leute da. Was finden die eigentlich gut an den Weathermen? Auf dem Klo erfahre ich es: »Weißt du«, sagt da einer zu seinem Kumpel, der neben ihm am Pissoir steht, »die Weathermen sind meine Lieblingsguerilla … wegen der ganzen Drogen.«
    Bommi Baumann kann da ein Lied von singen, denn auch für ihn war der Untergrund ohne Drogen nicht vorstellbar. Bommi Baumann sitzt auf einem Billardtisch im hinteren Teil des Raumes und grummelt, dass denen da oben einfach die kommunistische Disziplin abgehe. Zackzack sollte das gehen. Till Meyer pflichtet ihm düster und grummelnd wie ein General bei, der einsehen muss, dass die Schlacht verloren ist.
    Ich gehe, die beiden aber müssen bis zum Ende bleiben, weil sie mit dem Weathermen-Pärchen noch ein Interview machen müssen für die kommunistische Fachzeitschrift für Disziplin junge Welt.

Gekreuzigte Kuscheltiere
    Nachmittags habe ich eine Einladung zu einer Ausstellungseröffnung am Abend erhalten. Ein bisschen kurzfristig, hat

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