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Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)

Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)

Titel: Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Bittermann
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ausgerichtete Reihen mit mindestens zehn Meter langen Kleiderhaken installiert, eingerahmt von einem einfachen Holztresen. Die erste Installation sieht aus wie eine Garderobe, und es ist auch eine, wie ich enttäuscht feststellen muss.
    In den übrigen Stockwerken laufen Videos ohne Handlung, sogenannte Videoinstallationen. Zu sehen sind u.a. Demonstranten, die in verschiedenen Sprachen Parolen rufen oder Hallelujah singen. Ein Beitrag zur Völkerverständigung? Ich frage Fup, aber er ist wie ein Orakel und antwortet nicht. Er kommentiert nicht einmal den nackten Mann, der aufgebahrt in einem Glaskasten liegt, während Menschen um den Kasten herumstehen und ihm beim Herumliegen zugucken. Wahrscheinlich schläft die Installation. Was soll sie auch sonst tun?
    Wieder im Freien frage ich dehydriert und schweißgebadet einen berühmten Kurator aus Frankfurt, der nicht genannt werden will, aber schon mal eine Ausstellung von Uwe Lausen kuratiert hat, was so über die Ausstellung geredet wird.
    »Über Kunst wird nicht geredet«, sagt er.
    »Hui«, denke ich.

Reichhaltige Originalität
    Er ist mir schon häufiger aufgefallen. Eine schmale Gestalt mit einer energischen Lockenmatte und energischem Blick. Energischer Auftritt in knallrotem Jackett und schwarzer Lederhose, die unten in weiße Strümpfe hineingestopft ist. Nicht so auffällig wie die in blümchengemusterter Unterhose vorbeilaufende ganzkörpertätowierte, nasenringgepiercte und gerade aus einem Müllberg gekrochene Prollpunkerin mit Kampfhund und Bierflasche in der Hand, aber immerhin.
    Er stoppt abrupt einen Meter vor dem Kaffeehaustisch und sagt: »Eine glückliche Quellenpflege, einfache, reichhaltige Originalität.« Vorsichtiger Augenkontakt, denn man weiß ja nie, was für einen Verrückten man dann wieder am Hacken hat. Aber schon legt Timo los. Er spricht erstaunlich sinnfreie, aber höchst philosophisch klingende Sätze. Ich bin perplex.
    Es ist ein wenig wie bei Slavoj Žižek, der ja auch wirres Zeug redet, dafür aber mit viel Gestik. Žižek hält man deshalb für genial, Timo nicht. Schade eigentlich. Timo verkauft Gedichte, die sich nicht reimen, die er dennoch auswendig kann. Er gibt mir ein kleines Blatt, als sollte ich ihn abfragen, und legt los:
    »MEHR«! / »Du erstehst dir!, eine Fahrkarte, ewigen / Erwachens! In verkrüppelten / Umständen!! Spielen, hinter längst! Und! / unlängst!! Geschlagenen SCHLACHTEN, / S U P E R L I N G E « ! ! ! ! ! ! // DIESE LÄCHELN ODER LACHEN UND / KOMMENTIEREN DIE LETZTEN VOR-/BEIFLIEGENDEN WURF-HAKEN!!!!!! / »Ja«!, »Sie können fliegen!, als ER«!!!!!!
    Für 50 Cent ist dieses Gedicht nicht überbezahlt. Der Dichter des Ausrufungszeichens erklärt während des Vortrags sogar noch die »Superlinge«. Leider habe ich vergessen, wer die sind, jedenfalls keine angenehmen Zeitgenossen. Ich überlege, ob es vielleicht eine Möglichkeit gibt, Timo und Žižek zusammenzubringen. Ich frage Timo, ob es seine beeindruckende Moderation auf CD gibt. Er sagt, ich solle sein Gedicht anderen mehrmals laut vortragen, bis ich glaube, es sei von mir. Soweit will ich dann doch nicht gehen.



Rassismus und Fußball
    Ich bin auf eine Podiumsdiskussion über »Fußball und Nationalismus« oder umgekehrt eingeladen. Ich springe für einen Promi ein, der abgesagt hat. Für Diedrich Diederichsen. Ich nehme mir vor, etwas über Pop zu sagen. Diederichsen hat keine Zeit. Ich hoffe deshalb, weil er gerade ein Buch aus meinem Verlag rezensiert. Er hat das mal in Erwägung gezogen. Aber seitdem hat er sich nicht mehr bei mir gemeldet. Wahrscheinlich hat er schon wieder keine Zeit. Ich hingegen habe Zeit, aber ich bin ja auch kein Professor.
    Später entdecke ich auf einem Programmzettel, dass ich auch noch für Klaus Theweleit eingesprungen bin. Gut, dass ich das nicht vorher wusste, sonst hätte ich mich verpflichtet gefühlt, auch noch über Sexualität und Fußball zu reden.
    Offiziell bin ich eingeladen, weil Wiglaf Droste den »Kevin-›Prince‹-Boateng-Preis« ausgelobt hat, weil »Prince« den »aufdringlichsten und penetrantesten Werbeständer des Landes« Michael Ballack »außer Gefecht setzte«, wie Wiglaf Droste schrieb. Und ich bin der einzige Mitunterzeichner der Erklärung. Der Veranstalter will wissen, ob wir tatsächlich in Besitz des Trikots von Del Piero sind, das wir als Preis ausgelobt haben. (Del Piero deshalb, weil der bei der WM 2006 mit einem eleganten Treffer im Halbfinale die Deutschen aus dem Turnier

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