Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)

Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)

Titel: Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Bittermann
Vom Netzwerk:
aber den Vorteil, dass ich mir das über ein paar Stunden hinweg dann auch merken kann. Zwar nicht immer, aber in diesem Fall kommt die Einladung aus dem Hause »Endart«, und die ist nicht weit weg in der Oranienstraße, und außerdem ist Herr Endart mit dem in der Kunstwelt einzigartigen Namen Klaus Theuerkauf fünfzig geworden. Da kann man schließlich nicht einfach nicht hingehen. Außerdem kann ich Miss Trixie und Mister Fup mal zeigen, was moderne Kunst ist, schließlich bin ich nebenberuflich Erziehungsbeauftragter und Moderne-Kunst-Erklärer. Von beidem habe ich keine Ahnung, aber das ist immer die beste Voraussetzung, um irgendwie durchzukommen.
    Als erstes treffe ich den unter dem Namen Karin Kramer Verlag firmierenden Autor von Alkoholgeschichten und Anarchisten, inzwischen aber zum Anachronismus konvertierten Bernd Kramer, der mir sagt, dass er jeden Tag reicher wird. Nach einer Pause, die lang genug ist, um zu denken, davon kannst du aber höchstens träumen, sagt er: »An Erfahrung.« Damit sind wir beide in der Tat reichlich gesegnet, nützen tut sie uns aber trotzdem nichts. Das ist leicht mal schnell hingeschrieben, in Wirklichkeit profitieren wir natürlich von unserer Erfahrung, was man am besten daran sieht, dass es uns noch gibt. Dann sagt Bernd Kramer bewundernd: »Ich möchte echt mal wissen, wann der Theuerkauf das alles gemacht hat. Ich dachte, der ist ständig besoffen. Steht ja ne Menge Zeugs rum.«
    Das »Zeugs« ist blasphemisch und verstößt gegen Sitte, Anstand und Moral. Und wie! Am besten gefällt mir eine Gruppe Bambis in gestreiften Häftlingsanzügen vor einem Wachturm, auf dem eine kleine fiese Soldatenzinnfigur mit MP im Anschlag steht. Das Stilleben hinter Glas wird gerade noch geklebt, kostet 1500 und heißt Bambi-KZ oder so ähnlich. Das mag Miss Trixie gar nicht, während Mister Fup gleich ausprobieren möchte, ob die Figuren schon kleben. Er hat ein eher haptisches Verhältnis zur modernen Kunst, Miss Trixie ein eher moralisches, und ich schätze, da lässt sich wenig dagegen ausrichten. Und schon bin ich als Moderne-Kunst-Erklärer gescheitert, denn Fup hört sowieso nicht zu und Miss Trixie mag Tiere. Noch weniger begeistert ist Miss Trixie von den diversen Stofftieren, Hasen mit Riesenohren und süßen Kätzchen mit Riesenpimmel, die ans Kreuz genagelt sind und bluten.
    Auch mein Lieblingsbuchhändler sitzt in der Ausstellung herum und blutet, allerdings unterhalb der Nase, und es ist echtes Blut, das sich einfach nicht stoppen lässt. Der Verbandskasten im Atelier stammt noch aus NVA-Beständen und ist für dieses Zivilopfer nicht gerüstet. Freunde kommen und machen Fotos von ihm, während ich in die nächste Apotheke gehe, um ein Pflaster zu besorgen, bzw. blutstillende Watte, mit der sich mein Lieblingsbuchhändler einen Hitlerschnurrbart fertigt.
    »Morgen geh ich in die Klinik zur Entgiftung«, sagt er mit einem Bier in der Hand. Darauf stoßen wir an. »Freust du dich schon?«, frage ich. »Ja, vor allem auf die Dose Bier morgen früh im Taxi, wenn ich mich in die Anstalt bringen lasse.«

Biennale
    Auf dem Oranienplatz ist Biennale, und ich hätte sie beinahe verpasst, wenn mich mein Lieblingsbuchhändler nicht darauf aufmerksam gemacht hätte. Er ist jetzt wieder clean. Das ging ja schnell, denke ich. In seiner Hand hält er zwar eine Flasche, wie das in Kreuzberg Pflicht ist, so ähnlich wie die Anschnallpflicht im Auto, aber in der Flasche ist nichts Alkoholisches drin. Behauptet er.
    Der Oranienplatz ist voll mit Menschen, die alle eine Flasche Bier in der Hand haben. Oder ein Handy. Mit dem einen schützt man sich vor Dehydrierung, mit dem anderen sucht man Orientierung. Beides ist an diesem Abend wichtig, denn im Eckhaus, in dem früher ein Aldi drin war und jetzt zeitgenössische Kunst, machen einen extreme Temperaturen und hohe Luftfeuchtigkeit auf der Stelle mürbe, vor allem, wenn man wie ich zwanzig Päckchen Zucker schleppen muss, denn ungefähr soviel sitzt mir auf den Schultern und speichelt mir auf die Platte. Ob Herr Fup an Kunst interessiert ist, weiß ich nicht. Er macht zwar große Augen, aber was er von da oben ins Visier nimmt, ist von unten schwer zu sagen.
    Feine silberverchromte Stelen mit roten Absperrseilen und fein livrierte Türsteher lenken die Besucherströme, aber das ist auch schon das Einzige, was Flair und Eleganz verbreitet. Immerhin steigern sie die Erwartung. Im riesigen Raum des Erdgeschosses sind etliche parallel

Weitere Kostenlose Bücher