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Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)

Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)

Titel: Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Bittermann
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weiß, dass Schuhe ausziehen und zeigen eine schwere Beleidigung darstellt, über die in Ägypten sogar ein Diktator stürzte, lasse ich das lieber. Womöglich bringt sich der Regisseur um, wie sich auch in seinem Film ziemlich viel Leute umbringen. Niemand weiß, warum. Auch nicht die ungefähr zwanzig Ermittler, die bei den Besprechungen wie Pennäler auf Schulbänken sitzen und mit den Fingern schnipsen müssen, wenn sie etwas sagen wollen, und die dann aufstehen müssen, vom Chef zur Sau gemacht werden, und sich dann wieder hinsetzen müssen, wenn sie nicht entlassen werden wollen, wobei das Zur-Sau-gemacht-werden, wie man es aus deutschen Schulen der fünfziger Jahre kennt, noch ein Euphemismus ist. Bei den kranken Japanern geht’s da aber anders zu. Da klingt jedes Wort wie ein Peitschenhieb, wie eine schallende Ohrfeige, und die Wörter fliegen einem um die Ohren wie die Kugeln aus einer MP oder was auch immer die Japaner benutzt haben, um die chinesischen Bauern im japanisch-chinesischen Krieg 1941 von ihren Flugzeugen aus zu beschießen. Das könnte jetzt ein wenig weit hergeholt sein, vielleicht dann doch eher ein bisschen kürzer: Die Worte fühlen sich an wie ein Messer im Rücken.
    Das Messer respektive eine Schere haut ein Achtjähriger seinem Vater in den Rücken, der gerade seine gleichaltrige Freundin vergewaltigt. »Ich sag ja, die sind total krank«, sagt Nadja wieder. Einen guten Dienst hat der junge Regisseur seinem Land nicht erwiesen, schätze ich mal.

Im Intertank
    Da ich leidenschaftlicher Passivraucher bin, freue ich mich schon darauf, mich in der Punkkneipe »Intertank« mal wieder schön zuqualmen zu lassen. Das »Intertank« ist eine Kneipe, die meine Eltern als »üble Spelunke« bezeichnet hätten. Ich muss immer samstags in meiner Eigenschaft als Fan des BVB in den »Intertank« gehen, dessen Spiele dort gezeigt werden. Der »Intertank« ist nur fünf Minuten von der »Milchbar« entfernt, aber seitdem ich geschrieben habe, dass Herta dort ein unerbittliches Regiment führt, ist sie so überfüllt, dass man nur noch hingehen kann, wenn man wissen will, wie Heringe eigentlich so leben, wobei es bei denen nicht so laut zugeht, dafür ist es bei denen aber auch nicht so eng.
    Der Rauch lässt meine Augen tränen, was von den Menschen dort als Ausdruck meiner Freude oder Trauer über den BVB interpretiert wird. Die Tresenkraft Udo guckt mich spöttisch an, als ich eine Apfelsaftschorle bestelle. Das ist ein Ritual. »Was? Apfelsaftschorle?«, schreit er fragend durch die Rauchschwaden, damit alle mitkriegen, dass ein Perversling unter ihnen weilt. Ich nicke.
    Neben mir sitzt der Stuttgarter-Kickers-Fan Joe Bauer, der zu Besuch ist und als Ex-Alkoholiker auch Apfelsaftschorle bestellt. Udo schüttelt verständnislos und resigniert den Kopf. Joe Bauer hat in Stuttgart einen eigenen Taxifahrer und schon große Reden vor großen Massen geschwungen, die gegen Stuttgart 21 sind. Er schwärmt immer noch von der magischen Nacht, als die Kickers den BVB aus dem Pokal kickten. Joe Bauer nehme ich das nicht übel, und das nicht nur, weil er den Boss der Stuttgarter Hells Angels kennt, weshalb es selbstverständlich besser ist, etwas zurückhaltend zu sein.
    »Dortmund isch no ned durch«, sagt er. »Vier Spiele sinn schnell verlore.« Das ist weise und wahr. Schräg hinter uns sitzt ein Krakeeler und macht dem Phrasenmäher Thurn und Taxis Konkurrenz. »Supermario, musst ma wieder ne Bude machen … Sauber Tele, sauber … Wir verlängern den Vertrach und verkofen ihn dann für 25 Mille, wa!«
    Und plötzlich: »Diese Scheißschwaben, kofen hier den Kiez auf, wa! Und was ist dann? Fliegste aus der Wohnung, wa!« In seinem Fall hätte ich jetzt nicht wirklich etwas dagegen einzuwenden.
    Vielleicht sollte ich ihm sagen, dass Joe Bauer gute Kontakte im Milieu hat, damit er den Mund nicht so voll nimmt.
    Joe Bauer bleibt wie immer cool, denn cool ist sein zweiter Vorname. Er genießt das Spiel.

Polizeieinsatz
    Zwei Einsatzfahrzeuge der Polizei mit Blaulicht quietschen ein bisschen mit den Reifen und kommen vor meinem Haus zum Stehen. Ich öffne das Fenster und überlege mir, ob ich ein Kissen auf die Fensterbank legen soll, um es auf meinem Beobachtungsposten bequemer zu haben, aber das erinnert mich zu sehr an Otto ein paar Häuser weiter, der das den ganzen Tag macht, meistens im Unterhemd. In diesem zwingend vorgeschriebenen Outfit ist mir das jedoch entschieden zu kalt.
    Die beiden

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