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Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)

Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)

Titel: Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Bittermann
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die das alles gar nicht gekannt haben.«
    Die Ossi-Reflexe funktionieren also noch. Auch bei mir, denn ich bin irgendwie peinlich berührt, und ich frage mich, was die alle gegen die Stasi haben, die sich doch um alle Belange der Zonis gekümmert und sehr aufgepasst hat, dass keiner aus Versehen Nazi wurde. Oder Skinhead, oder sowas wie der kurzhaarige Mann mit dem schwarzen T-Shirt, auf dem jemand mit einem Baseballschläger niedergestreckt wird und auf dem steht »Mehr Spaß im Osten«, oder wie der ebenfalls kurzhaarige Mann mit dem T-Shirt-Aufdruck »Hate and Violence«. Das hätte es unter der Stasi nicht gegeben. Und das muss man ja auch mal sagen.
    Die anderen aber sind gekommen, um gemeinsam zu singen. Und das quasi ohn Unterlass. »Ein Tor, das kann doch nicht so schwer sein«, singen sie, weil ihrer Mannschaft keins gelingen will, und nachdem »Eisern Union«, wie zwischendrin immer wieder mal unvermittelt skandiert wird, kurz vor Schluss 4:0 zurück liegt, singen die Unionisten guantanameranisch »Das wird ‘ne ganz enge Kiste, ganz enge Kiiiiiiste …«
    Hier nimmt niemand jemandem was übel, weder dem sich fette Schnitzer leistenden Torhüter, noch dem Präsidenten, noch dem Gegner auf dem Platz, höchstens irgendwelchen Wessis, die Union schlecht machen.
    »Carsten Stegemann kann seinen Geldbeutel beim Bierausschank abholen. Er ist gefunden worden«, sagt der Stadionsprecher. Hier geht niemand verloren, nicht einmal Carsten Stegemann.



Punk mit Mutti-Haarschnitt
    Viv Albertine? Ich wühle zuerst in den morastigen Tiefen meines Gedächtnisses und dann in einem Buch, das ich im Verdacht habe, es könnte einen entscheidenden Tipp enthalten. Und tatsächlich, Viv Albertine hing im heißen Sommer 1976 mit den Sex Pistols herum, wohnte mit Sid Vicious in einem besetzten Haus und gründete mit ihm die »Flowers of Romance«, aus der sie jedoch von Sid Vicious wieder rausgeschmissen wurde, weil sie nicht gut genug Gitarre spielen konnte, was sehr witzig ist, weil Sid Vicious ja auch nicht spielen konnte, jedenfalls sagt das die Legende, und ich finde, der Legende sollte man unbedingt glauben, weil alles andere viel zu langweilig wäre.
    Viv Albertine, die bei den Slits gespielt hatte, der ersten Frauen-Punk-Band, und bei der ersten LP mitwirkte, auf deren Cover drei nackte und schlammbeschmierte Bandmitglieder zu sehen sind, diese avantgardistische Viv Albertine also spielt im »Monarch«. Das »Monarch« ist eine tolle Raucher-Bar mit einer vertikal schrägen Fensterfront und Ausblick auf die Hochbahn am Kottbusser Tor. Whow, denke ich, da gehe ich hin und lasse ich mich vom Hauch der Geschichte anblasen. Angeblasen werde ich aber zunächst nur von einem auf Hochtouren arbeitenden Ventilator.
    Es dauert, bis Viv Albertine die Bühne betritt, aber wer tritt heute schon mit weniger als einer Stunde Verspätung auf? Das wäre uncool, klar. Viv Albertine hat einen braven Mutti-Haarschnitt, trägt dunkle Jeans und ein T-Shirt in der gleichen Farbe, ist also nicht sehr glamourös. Denke ich, aber dann zieht sie sich auf der Bühne das T-Shirt über den Kopf und darunter kommt ein mit Glitzerpailletten besticktes durchsichtiges Etwas zum Vorschein, vielleicht auch was Fleischfarbenes. Das kann ich von hinten nicht erkennen.
    Showtime, denke ich. Dann sagt sie jedoch zur Begrüßung, sie wäre Asthmatikerin und die Leute sollten bitte nicht rauchen. Aber statt der Stimme versagt dann die Anlage und es krächzt gewaltig aus den Boxen. Sie sagt, der Techniker solle was dagegen tun, der Techniker lässt das nicht auf sich sitzen und sagt, es läge an ihr, was sie aber nicht glaubt.
    Das Krächzen ist der Höhepunkt des Konzerts, denn die Songs hören sich an wie launiges Gitarrengeschrammel mit Kunstanspruch, also mit vielen eintönigen Wiederholungen und einer kieksigen Stimme zum Weglaufen. Sie singt, dass es keine Liebe gibt, dass Männer Idioten sind und Beziehungen doof, nicht gerade anspruchsvolle Erkenntnisse, die sie aus ihrer immerhin 18 Jahre währenden unglücklichen Ehe gewonnen hat, die sie als Grund für ihre Songs aber auffällig häufig erwähnt.
    Das Konzert dauert nicht lange. Das immerhin ist tröstlich. Ein letzter Zug von der Zigarette noch, den ich mir als Asthmatiker leiste, ein letzter Schluck. Draußen gehe ich an »Kaisers« vorbei, der noch offen hat. Vor ihm sitzen betrunkene Punks. Sie wissen nicht, wer Viv Albertine ist. Sie haben nichts verpasst. Auch ich hätte es wissen können: Je

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