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Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)

Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)

Titel: Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Bittermann
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andere, sondern irgendetwas zeltartiges, wobei der über die Knie reichende Saum ausgestanzte und mit Metall eingefasste Löcher aufweist wie bei einem Seesack oder einem IKEA-Vorhang, und außerdem stecken ihre Waden, für die man ganz tief unten in Bayern auf die Knie gehen würde, in halbhohen gefütterten Wildlederstiefeletten, aber dazwischen … da muss ich jetzt Herrn Bernstein recht geben. Ich kann meinen Blick gar nicht losreißen von diesen Klamotten mit Mut zum Flüchtlingsoutfit von 1945. Nein, mit der Gentrifizierung wird das hier doch nichts, denke ich.
    Nadja zischelt mir zu: »Das ist die Holofernes von den ›Wir sind Helden‹.«
    »Hä«, sage ich, »wer?«

Büchertausch
    Endlich Wochenende. Da klingelt das Telefon. »Ist da Klaus Bittermann?« Ja, irgendwie schon. »Wohnst du nicht in der Grimmstraße?« Jetzt, wo ein Unbekannter mich so ankumpelt, gebe ich auch das zu. »Ich wohne ja in der Bergmannstraße, gegenüber von der Post. Kennste ja.« Schön, denke ich. Es stellt sich heraus, dass der Mann ein Buch aus meinem Verlag haben möchte und das auch gleich abholen will. Na gut, denke ich, Türverkauf, dafür kann ich anschließend ins Café gehen. Why the hell also not?
    Fünf Minuten später betritt der Mann das Berliner Zimmer, in dem meine Bibliothek untergebracht ist. »Warum hast du so viele Bücher«, fragt der Mann. »Ich bin Verleger«, sage ich. »Hast du die alle gelesen?« Auf diese Frage bin ich vorbereitet, weil ich sie mit der Regelmäßigkeit höre, mit der Harry Rowohlt gefragt wird, ob er was mit dem Rowohlt Verlag zu tun hat. Ich sage: »Ja.«
    Vielleicht sollte ich wie Harry fünf Euro kassieren, aber praktisch ist das oft gar nicht so leicht umzusetzen. »Kann ich mich mal umsehen?«, sagt der Mann mit einer Selbstverständlichkeit, dass ich gar nicht auf die Idee komme zu sagen »Jetzt aber mal Halblang«. Ich komme mir vor wie in »Biedermann und die Brandstifter«. Aber der Mann will nichts abfackeln, er will nur gucken.
    Als ich ihm das gewünschte Buch überreiche, gibt er mir eine Brötchentüte. Darin ist auch ein Buch. Von ihm selber gemacht. »Atemgeräusche aus dem Elfenbeinturm« heißt es. Es ist ein Kunsthandwerksbuch. Ein anderes Buch ist darin übermalt und übercollagiert. Ich blättere darin herum und sage »schön«. Erstens, weil ich finde, man kann nicht einfach sagen, »was ist das denn für eine Scheiße«, auch wenn man es vielleicht denkt, und zweitens finde ich es tatsächlich schön, weil das ursprüngliche Buch übermalt ist und man es nicht lesen muss.
    Vielleicht hätte ich es aber nicht sagen sollen, denn als ich abkassieren will, sagt der Mann: »Weißte was, tauschen wir.« Toll, denke ich, das hat sich jetzt echt gelohnt.

Eisern Union
    Die Zone ist fast so deprimierend wie damals vor dreißig Jahren, als ich das letzte Mal drüben war und als die Zone noch Zone genannt werden durfte. Heute heißt sie z.B. Berlin, oder vielleicht noch Ostberlin, der ostberliner Charme der Trostlosigkeit ist aber geblieben. Er ist so ähnlich wie der westberliner, jedenfalls wenn man von Kreuzberg kommend die Sonnenallee bis zum Ende fährt und sich dann nach Köpenick durchschlägt.
    Im Vorbeifahren sehe ich zwei beschnäuzerte Tätowierte vor einem Friseurladen auf Kundschaft warten. Sie sitzen auf Plastikstühlen und rauchen. Leute auf der Straße gibt es nur sehr vereinzelt. Die Sonne bestrahlt gnadenlos die Geisterstraße und macht alles nur noch schlimmer. Aber ich will ja zum Glück nicht nach Köpenick, sondern in die alte Försterei, zum Stadion des FC Union.
    Da gibt es mehr Menschen und alle haben ein Ziel. Ich reihe mich unauffällig in den dünnen Besucherstrom ein und wate durch einen Wald mit feuchtem Waldboden, der vermutlich von den Leuten herrührt, die links und rechts des Weges stehen und ihr Wasser abschlagen. Mit einer Bratwurst begebe ich mich straks in die Fankurve, obwohl die gar keine Kurve ist und ich gar kein Fan. Der Stadionsprecher sagt gerade: »Gibt es noch Leute unter euch, die noch Zeitung lesen?« Ich sehe mich um. Irgendwie herrscht betretenes Schweigen, als ob sich die Leute ertappt fühlen würden. Aber weil es um den Vereinspräsidenten geht, der seinen Wehrdienst bei einem Stasi-Wachregiment geleistet hat und die Eisernen Unionler sich das von den Wessis ja wohl nicht erklären lassen müssen, sind alle begeistert, als der Stadionsprecher sagt: »Ich glaube nicht, dass wir uns das erklären lassen müssen von Leuten,

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