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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Schließlich wedelte sie mit der Hand vor meinen Augen herum.
    »Svenja?«, stammelte Daniel.
    »Können wir jetzt gehen? Ich habe ein straffes Programm.«
    Sie legte mir eine Hand auf die Schulter, hauchte ein Küsschen rechts und eins links neben meine Wangen und schritt um uns herum Richtung Ausgang.
    Wir verdrehten unsere Köpfe, um ihr hinterherzuschauen. Sie sah aus wie ein Filmstar und wusste es. Sie stöckelte auf mindestens fünfzehn Zentimeter hohen Absätzen durch die Halle. Ihr Kostüm hatte Tausende gekostet, das Haar war zu einem festen Dutt geknotet und die Aktentasche an ihrer linken Hand hätte auch dem Präsidenten der Weltbank zur Ehre gereicht.
    Daniel stand wie erstarrt, daher nahm ich seine Hand. Er ließ sich von mir mitziehen. Vor der Tür holten wir Svenja ein.
    »Wo steht der Wagen?«
    »Wir sind mit der Bahn«, sagte ich.
    Svenja blickte mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, drehte sich um und schritt mit knallenden Absätzen zum Taxistand. Daniel und ich dackelten hinterher.
    Svenja stellte sich nicht in der Reihe an. Sie ging dem ankommenden Taxi entgegen, auf das bereits dreißig Menschen ungeduldig warteten, ließ sich hineinsinken und winkte ab, als der Taxifahrer sie auf die vorgeschriebene Reihenfolge aufmerksam machen wollte. »Sie bekommen fünfzig Euro extra, also los.«
    Der Taxifahrer gehorchte. Ich nannte unsere Adresse. Svenja klappte einen Taschenspiegel auf, blickte hinein, wischte sich kurz mit einem Finger über die rechte Augenbraue und wandte sich dann zu uns um.
    »Was ist mit deinem Auto, Daniel?«
    Mein Bruder hatte sich inzwischen wieder so weit im Griff, dass er Buchstaben zu Wörtern und Wörter zu Sätzen kombinieren konnte.
    »Verkauft. Ich habe dir doch bei deinem Abflug geschworen, dass ich mein Leben ändere. Nun, das habe ich getan.« Er räusperte sich. »Und du auch, wie ich sehe.«
    »Ach, das war ja auch längst überfällig.«
    »Was meinst du damit?«, fragte ich. »Überfällig?«
    Svenja drehte sich halb auf dem Beifahrersitz herum. »Ich meine damit, dass man irgendwann erwachsen werden muss. Diese grüne Spinnerei ist gut und schön, solange man in seiner eigenen, kleinen Welt lebt, aber global betrachtet ist das einfach lächerlich. Es gibt Milliarden Menschen, die verzweifelt auf die Errungenschaften der Zivilisation warten. Denen kann man doch nicht sagen, dass sie wegen des Weltklimas auf alles verzichten sollen, was wir seit hundertfünfzig Jahren an Komfort erreicht haben.«
    »Aber …«, warf Daniel ein. Svenja schüttelte ungeduldig den Kopf.
    »Die Leute sind arm und das wollen sie nicht mehr sein. Es ist einfach nur westliches Herrschaftsdenken, ihnen ihren Lebensstil vorschreiben zu wollen. Sie wollen Entwicklung und sie brauchen sie.«
    »Welche Art von Entwicklung meinst du?«, fragte Daniel.
    »Wirtschaftswachstum natürlich, was sonst.«
    Daniel stöhnte.
    »Die Leute brauchen Jobs. Sie wollen konsumieren. Sie wollen an unserem Wohlstand teilhaben. Es ist zynisch, ihnen das zu verwehren.«
    »Wie bist du zu der Erkenntnis gelangt?«, fragte ich matt.
    »Ich habe einen Mann kennengelernt, der ihnen eine Perspektive eröffnet. Er hat die erste indische Billigfluglinie gegründet. Damit kann er Millionen von Menschen, die bisher nicht aus ihrem Dorf herausgekommen sind, bezahlbare Mobilität bieten. Und Mobilität ist eine Voraussetzung für Wachstum.«
    »Fluglinie«, murmelte Daniel schockiert. »Ausgerechnet eine Fluglinie.«
    »Hat alles das, was du in deinem Studium der Sozialen Ökologie gelernt hast, keinen Wert mehr?«, fragte ich.
    »Das ist Ökoromantik. Die Leute wollen aber keinen selbstgenügsamen Lebensstil auf einem ökologischen Kleinbauernhof. Sie wollen partizipieren. Sie wollen in die Städte, wollen Lebensmittel kaufen, statt sie mühsam selbst anzubauen.«
    »Aber das ist der Klima-GAU«, warf Daniel ein. »Damit ist das Zwei-Grad-Ziel unerreichbar.«
    Svenja winkte ab, dabei rutschte der Ärmel hoch. Das Zifferblatt der Uhr an ihrem Handgelenk war von einem Ring aus Diamanten umschlossen. »Reine Stimmungsmache, um die Kräfteverhältnisse zu erhalten. Der reiche Norden will den Süden arm halten. Aber damit ist jetzt Schluss.«
    »Was ist deine Rolle bei dem Ganzen?«, fragte Daniel kühl.
    »Ich bin die persönliche Assistentin des Inhabers.«
    »Und privat?«, fragte er nach.
    Sie streichelte die Uhr. »Er ist verheiratet.« Dieses maliziöse Lächeln hatte ich noch nie an ihr gesehen.
    Der Rest der Fahrt

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